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Detlef Müller
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Frage von Lutz R. •

Frage an Detlef Müller von Lutz R. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Müller,

mit der Einführung von Hartz IV wurde ein entscheidender Schritt getan, um die Kluft zwischen arm und reich noch weiter voranzutreiben.

Als Empfänger von ALG II werde ich dazu abgestempelt für immer arm zu bleiben. Was nützt es mir, wenn die Gesetzgebung einen geschützten "Vermögensfreibetrag" aufgrund des Lebensalters vorgesehen hat, wenn ich diesen Betrag mit Beginn des ALG-II-Bezugs niemals ausschöpfen kann? Warum nimmt mir die ARGE sämtliche Zinseinnahmen weg und rechnet diese als "Einkommen" an? Warum dürfen diese Zinsen aus meiner Altervorsorge nicht wieder meinem Vorsorgevermögen im Rahmen der zulässigen Höhe zufließen? Jeder "normale" Sparer freut sich über ein paar Zinsen, aber mit Hartz IV wird der Sinn des Sparens zum Paradoxum. Warum werde ich zum "Sparer 2. Klasse" degradiert? Soll ich mir meine kleinen Ersparnissse unter die Matratze legen, damit ich wenigstens die Genugtuung habe, daß sich nicht mehr die ARGE an den Früchten meiner Sparsamkeit bereichert?

Ich bin fast 63 Jahre alt und habe bis zur "Wende" immer gut verdient. Zuletzt war ich im Kombinat Medizin- und Labortechnik Leipzig tätig, aber unsere hervorragenden Zentrifugen und Narkosegeräte waren der westdeutschen Konkurrenz ein Dorn im Auge. Die "Liquidation", unterstützt durch die Treuhand, war vorbestimmt. Danach gab es für mich im "fortgeschrittenen" Alter nach der "Auffanggesellschaft" nur noch hin und wieder ABM-Stellen. Ich könnte zwar in Rente gehen, aber aufgrund der Rentenauskunft mit der zu erwartenden niedrigen Rente kann ich es mir nicht leisten, diese lebenslangen Rentenabschläge hinzunehmen. Eine Änderung der Hartz-IV-Gesetzgebung ist dringend erforderlich. Meine bescheidenen Ersparnisse gönnt mir die ARGE offensichtlich nicht und möchte diese auf "Penner-Niveau" herunterfahren.

Die Ungerechtigkeit in unserem Land nimmt immer erschreckendere Ausmaße an, und ich bitte Sie, sich für notwendige Reformen einzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Lutz Rödiger

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Sehr geehrter Herr Rödiger,

Ihre Nachricht über Abgeordnetenwatch.de habe ich erhalten, vielen Dank.

Leider kann ich Ihren Angaben nicht entnehmen, wie sich Ihre Situation genau darstellt. Sie beziehen Zinsen aus einer „Altersvorsorge“ (welcher Art diese ist, schreiben Sie jedoch nicht) und würden diese gern wieder in Ihre Altersvorsorge einfließen lassen. Doch werden diese Ihren Angaben nach als Einkommen bewertet. Falls Sie weitere Unterstützung bei Ihrem persönlichen Anliegen wünschen, möchte ich Sie bitten, sich an Ihren zuständigen Wahlkreisabgeordneten Gunter Weißgerber zu wenden.

Hier daher vorerst die allgemeinen Informationen zum von Ihnen angesprochenen Thema ALG II und Vermögen.

Grundsätzlich wird Vermögen beim Bezug von Arbeitslosengeld II berücksichtigt, d.h. hilfebedürftige Arbeitsuchende müssen vorhandenes Vermögen für ihren eigenen Lebensunterhalt verwenden, bevor sie ALG II beanspruchen können. Dabei sind auch die (Ehe-) Partner füreinander und für minderjährige, im eigenen Haushalt lebende Kinder, einstandspflichtig.

Jedem einzelnen Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft werden jedoch gewisse Freibeträge zugestanden, bis zu deren Grenzen das eigene Vermögen nicht verwertet werden muss. Diese Freigrenzen sind höher angesetzt als bei der früheren Sozialhilfe und sollen v.a. die Rücklagen für die Altersvorsorge schützen.

Vom Vermögen abzuziehen ist ein Freibetrag in Höhe von 150 Euro für jedes vollendete Lebensjahr für volljährige Hilfebedürftige und deren Partner bis zu einer Höchstgrenze von 9.750 Euro aber mindestens 3.100 Euro je Person. Dieser Grundfreibetrag von 3.100 Euro gilt auch für jedes minderjährige Kind.

Der Gesetzgeber hat für den Grundfreibetrag eine Stichtagsregelung vorgesehen. Das heißt, dass Personen, die vor dem 1.1.1948 geboren sind, deutlich höhere Vermögensfreibeträge zugestanden werden. Da Sie angeben, dass Sie fast 63 Jahre alt sind, kann ich annehmen, dass Sie vor 1948 geboren sind und diese Regelung daher auf Sie zutrifft. Der Vermögensgrundfreibetrag beträgt in diesem Fall 520 Euro je Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Geschützt sind mindestens 4.100 Euro, höchstens 33.800 Euro pro Person.

Die staatliche Rente, Betriebsrenten, die staatlich geförderte Altersvorsorge (sogenannte Riester-Rente und Rürup-Rente, sofern nicht vorzeitig aufgelöst) und die Erträge daraus bleiben unangetastet. Weiteres Vermögen, das der Altersvorsorge dient, ist bis zu einer Höhe von 250 Euro je vollendetem Lebensjahr für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seinen Partner anrechnungsfrei. Auch hier ist eine Höchstgrenze von 16.250 Euro je Person vorgesehen. Bedingung ist aber, dass das Vermögen vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwertbar ist.

Außerdem steht jedem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft ein Freibetrag für „notwendige Anschaffungen“ zu. Er beträgt pro Person 750 Euro und gilt auch für Kinder innerhalb der Bedarfsgemeinschaft.

Zum Vermögen zählt grundsätzlich der gesamte liquidierbare Besitz der Bedarfsgemeinschaft. Dazu gehören neben Bargeld und Bankguthaben auch Wertpapiere, Aktien, Fonds-Anteile, Sparbriefe, Bausparverträge, Edelmetalle, Antiquitäten, Gemälde und nicht selbst genutzte Immobilien. Selbst genutztes Wohneigentum und PKW müssen den Lebensumständen des Betreffenden „angemessen“ sein.

Zum Freibetrag für die private Altersvorsorge sind aktuell folgende Änderungen zu beachten: Der Grundfreibetrag wurde zum 1.8.2006 von 200 Euro auf 150 Euro pro Lebensjahr gesenkt. Gleichzeitig wurde der Altersvorsorgefreibetrag von 200 Euro auf 250 Euro erhöht.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf der Webseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: http://www.arbeitsmarktreform.de/AMR/Navigation/Geldleistungen/vermoegen.html

Mit freundlichen Grüßen

Detlef Müller, MdB

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