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Detlef Müller
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Frage von Thomas S. •

Frage an Detlef Müller von Thomas S. bezüglich Umwelt

Guten Tag Herr Müller.

in Ihrer Antwort auf die von Herrn Gruner gestellte Anfrage sprechen Sie sich für eine
Mobilitätswende aus, Zitat:

"Aus meiner Sicht bildet ein stark ausgebauter, zuverlässiger und kostengünstiger ÖPNV das (neue) Rückgrat der Mobilität. (...) Es braucht ein attraktives Angebot an Bus- und Bahnlinien, um das Umsteigen auch wirklich annehmen zu können. Dazu gehören auch Preise im öffentlichen Nahverkehr, die attraktiv, sprich günstig (nicht kostenlos!) sind. Das Wiener Modell - Jahresticket für 365 Euro/ 1 Euro/Tag bietet sich an. Das heißt im Klartext aber auch, dass der ÖPNV in finanzieller Hinsicht einen ganz anderen, größeren Stellenwert haben muss."

https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/detlef-muller/question/2019-08-01/320382

Leider erfahre ich die Realität im deutschen ÖPNV als ungeeignet um die besagte Mobilitätswende herbeiführen zu können, der ÖPNV erscheint mir als vielfach überteuert, kundenfeindlich und eher bürokratisch aufgestellt. Obwohl die Bahn bezogen auf Energieeffizienz, Reisekomfort und Umweltbilanz punkten kann (könnte), wurde in den letzten 50 Jahren in Deutschland das Schienennetz massiv verkleinert. Zitat Wikipedia:

"In den Jahren 1994 bis 2004 wurden in Deutschland pro Jahr mehr als 400 km Schienenstrecken stillgelegt. Die meisten Strecken (599 km) wurden in diesem Zeitraum in Sachsen-Anhalt stillgelegt, gefolgt von Nordrhein-Westfalen (574 km) und Bayern (522 km)."

https://de.wikipedia.org/wiki/Streckenstilllegung#Geschichte

Auch das Schienennetz in Ihrem Wahlkreis und Umgebung wurde gerupft, hier eine Momentaufnahme der Dichte im Jahr 1945:

https://www.landkartenarchiv.de/vollbild_eisenbahnkarten.php?q=Eisenbahnkarte_Deutschlands_300K_Bl_38_CHEMNITZ_1939

Will die SPD Bahnstrecken reaktivieren?

Wenn ja, in welchem Umfang und was wäre die SPD bereit dafür zu tun?

Was machte die SPD konkret für günstigere Fahrpreise?

Wie sollen Verbesserungen gegenfinanziert werden?

Viele Grüße, T. S.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dreieich,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie haben natürlich vollkommen recht: Der derzeitige ÖPNV/SPNV ist kaum geeignet, die Basis für eine wirkliche Mobilitätswende zu sein. Und eben genau deshalb sind ja tatsächliche Anstrengungen – jenseits von Sonntagsreden und Absichtserklärungen – nötig, um den Wechsel zu schaffen. Das wird nicht nur ein Umdenken bei Stadt- und Regionalplanungen einfordern, sondern auch große finanzielle Kraftakte für die anstehenden Investitionen in Sanierung, Aus- und Neubau. Nicht nur im Bereich der Bahn, sondern auch im Öffentlichen Nahverkehr bei Straßenbahnen, Bussen, Stadt- und U-Bahn-Systemen.
Im Bereich der Bahn sind schon einige Pflöcke eingeschlagen. Der aktuelle Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD ist schon recht „bahnlastig“. Wir überarbeiten derzeit die Satzung der DB AG: Wir wollen den Geschäftszweck ändern, weg von Gewinnerzielung und Gewinnmaximierung hin zum Ziel, tatsächlich mehr Verkehr – Fahrgäste und Güter – auf die Schiene zu kriegen. Der Bundesverkehrswegeplan ist verabschiedet, das Elektrifizierungsprogramm kommt im Herbst. Wir haben die Trassenpreise für den Güterverkehr halbiert.
Die neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung LuFV III (für Sanierungen und Reparaturen in der Infrastruktur) soll auf 8,3 Mrd. EUR pro Jahr aufgestockt werden. Die Laufzeit soll bis 2029 gehen. In der noch bis Ende 2019 geltenden LuFV II standen rund 3,5 Mrd. EUR jährlich zur Verfügung. Das ist schon ein gewaltiger Sprung. Und ein klares Bekenntnis zur Bahn.
Zu ihren Fragen konkret:

Will die SPD Bahnstrecken reaktivieren?
Selbstverständlich. Dort, wo es von den Bundesländern, den Nutzern und den Unternehmen gewollt und wo es auch im vertretbaren Rahmen wirtschaftlich darstellbar ist. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und die Allianz pro Schiene haben dafür umfangreich begründete Vorschläge unterbreitet:
https://www.allianz-pro-schiene.de/presse/pressemitteilungen/die-schiene-kommt-zurueck/

Wenn ja, in welchem Umfang und was wäre die SPD bereit dafür zu tun?
Unterstützung von Reaktivierungsplänen, Erstellen von Gutachten, Projektstudien (Sachsen beispielsweise Rochlitz-Narsdorf: unterstützt vom SPD-geführten Wirtschafts- und Verkehrsministerium). Zuschüsse des Bundes und der Länder für die Infrastrukturbetreiber (die nicht immer DB Netz sein müssen) zur Sanierung und Reaktivierung.

Was machte die SPD konkret für günstigere Fahrpreise?
Seit vielen Jahren fordern wir den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7% auch auf Bahntickets im Bahn-Fernverkehr. Dieser Forderung haben sich inzwischen alle Experten, Verbände und inzwischen selbst Bundesverkehrsminister Scheuer angeschlossen. Die reellen Einsparungen sollten tatsächlich auch beim Fahrgast ankommen oder, besser, in den weiteren Netzausbau investiert werden. Den Fakt ist auch: Die derzeitige Infrastruktur und das vorhandenen Fahrzeugmaterial würden weitere kräftig wachsende Fahrgastzahlen kaum verkraften.
Im Nahverkehr gilt bereits der ermäßigte Mehrwertsteuersatz. Hier wird es wichtiger sein, Verbundtarife durchschaubar und einfacher zu machen, möglicherweise Verkehrsverbünde zusammenzulegen. Das Ziel bleibt ein kostengünstiger Nahverkehr in Stadt und Land mit Bus, Straßenbahn, Zug usw für 1 Euro pro Tag/ 365 Euro pro Jahr.

Wie sollen Verbesserungen gegenfinanziert werden?
Es ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen und eine allgemeine Notwendigkeit – von daher wird und muss auch die Allgemeinheit, der Steuerzahler, die Kosten tragen müssen. Der Bund und die Länder müssen und werden in den nächsten Jahren viel mehr Mittel für die Bahn (siehe oben) und den ÖPNV (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz: Mittel für S-, U-, Straßenbahn, Busförderung, Aus- und Neubau. Mittel steigen in Zukunft deutlich an! Koalitionsvertrag CDU/CSU/SPD) https://www.lok-report.de/news/deutschland/verkehr/item/10075-vdv-bundesrat-macht-den-weg-frei-fuer-gvfg-erhoehung.html investieren müssen. Mehr als die bereits vereinbarten deutlichen Erhöhungen. Gegenfinanzierungsvorschläge, die allerdings nicht ausreichend sind, wären die Einführung der Kerosinsteuer bei Flügen, die CO2-Steuer und die europäische Einführung der Finanztransaktionssteuer.

Mit freundlichen Grüßen,
Detlef Müller (Chemnitz), MdB

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