Frage an Detlef Müller von Erik R. bezüglich Verkehr
Guten Abend,
wieso haben Sie für das Gesetz zur Schaffung einer Autobahngesellschaft gestimmt? Dass damit keine Privatisierung einhergeht, von dieser Narrative hat sich ja selbst Ihre Fraktion schon verabschiedet. Was erhoffen Sie sich davon und sehen Sie keine Gefahren darin? Warum passt man nicht besser die Vergabevorschriften und Regelwerke für Ausschreibungen und Anforderungen an Baugesellschaften an und geht an die Verwaltung ran, statt die Infrastruktur in fremde Hände zu geben? Der Übergang der Verantwortung von den Ländern auf den Bund hätte auch ohne die Ausgliederung in eine Gesellschaft möglich sein können.
Danke, dass Sie sich auf dieser Plattform den Fragen stellen.
Sehr geehrter Herr Rasch,
vielen Dank für Ihre Anfrage hier auf abgeordnetenwatch.
Ich möchte Ihnen gern meine Gründe für die Zustimmung zur Gründung einer Infrastrukturgesellschaft erläutern.
Dieser Bundestag hat für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in den letzten Jahren deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt, auch um den Investitionsstau unserer Straßen zu beenden.
Organisatorische Mängel verhindern häufig, dass das zur Verfügung stehende Geld für den Bau von Bundesfernstraßen zielgenau und an verkehrlichen Maßstäben orientiert abfließen kann. Auch bei Planung und Betrieb gibt es vielerorts unbestreitbaren Optimierungsbedarf. Das ist auf nahezu allen politischen Ebenen erkannt und benannt worden. Eine Reform dieser Strukturen ist deshalb dringend geboten.
Neben einer Reform der Auftragsverwaltung war hierzu schon länger die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft im Gespräch, die Planung, Bau und Betrieb in die Hände des Bundes legt.
Der von der Bundesregierung ursprünglich vorgelegte Entwurf hat den verkehrspolitischen Anforderungen jedoch zum einen nicht ausreichend Rechnung getragen, zum anderen gravierende Mängel hinsichtlich Privatisierung, Struktur, Beteiligung der Politik und Mitarbeiterrechten aufgewiesen. Er war daher nicht zustimmungsfähig. Deshalb haben wir in langen Verhandlungen aus meiner Sicht wesentliche Änderungen durchgesetzt.
Der häufigste Vorwurf gegen den vorliegenden Vorschlag zur Bundesfernstraßengesellschaft ist der, er ermögliche Privatisierungen durch die Hintertür. Festgemacht wird dies an der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Es gibt aber genug Praxisbeispiele -zum Beispiel die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) oder die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) - die beweisen, dass eine GmbH in öffentlichem Besitz nicht gewinnorientiert sein muss. Hierfür galt es die notwendigen Schranken dauerhaft zu setzen. Die von der SPD verhandelten Begrenzungen für die Privatisierung sind daher für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung.
Den Einfluss von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) wird mit der vorliegenden Reform weiter beschränkt. ÖPP für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentlicher Teile davon umfassen, sind ausgeschlossen. Es werden Möglichkeiten zur Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren ausgeschlossen, die bislang noch bestehen. Hier ist der Gesetzentwurf ein echter Fortschritt. Dem Deutschen Bundestag - namentlich dem Haushalts- und dem Verkehrsausschuss - werden durch die Reform neue Kontrollmöglichkeiten eingeräumt, die dieser auch im Sinne des Interesses der Bürgerinnen und Bürger nutzen werden.
Wichtig für mich ist auch, dass mit der vorliegenden Reform das wirtschaftliche Eigentum der Bundesfernstraßen unveräußerlich beim Bund bleibt. Die neue Gesellschaft ist lediglich für die Verwaltung zuständig, auch die Übertragung von Nießbrauch-Rechten - also die gewinnbringende Nutzung durch die Gesellschaft - ist ausgeschlossen. Die Gesellschaft wird auch nicht als Mautgläubigerin auftreten. Auch eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte ist nicht möglich.
In enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften haben wir zudem die Rechte der Beschäftigten beim geplanten Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder auf den Bund festgeschrieben. So gibt es zum Beispiel ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang und die besondere Situation des beamteten Personals wird berücksichtigt. Auch das war für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung.
Mit freundlichen Grüßen,
Detlef Müller