Frage an Detlef Müller von Angelika H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Müller,
ich bedanke mich für Ihre Antwort in Bezug auf die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte bzw. Öffnung des Arbeitsmarktes für die östlichen Staaten.
Neben Hochqualifizierten geben Sie auch ausländischen gering qualifizierten Arbeitskräften eine Chance auf dem deutschen Arbeitsmarkt.
Ca. 80 000 Schüler verlassen jährlich unsere Schule ohne Abschluss.Ca. 8 % der deutschen Kinder und ca. 20 % ausländische Kinder sind das. Dies ist auch heute schon ein gewaltiges Problem, denn diese Kinder/Jugendliche haben enorme Probleme mit der Berufsausbildung und Arbeitssuche. Hintergrund sind die immer schlimmer werdenden Zustände in den Schulen: große Klassen, Schulschließungen, genervte Lehrer, Autoritätsprobleme, Werteverluste. Bei den jetzigen Abläufen zur Bildung von 1. Klassen, Übergang in Real-und Hauptschulen und Gymnasien sind Bürokraten am Werk (in den Regierungspräsidien), welchen jegliche Menschlichkeit abhanden gekommen ist. So werden bei 60 Schulanfängern keine drei 1. Klassen gebildet, sondern nur zwei Klassen mit je 28 Schülern !!!! und die restlichen 4 werden ins Nachbardorf gefahren.
Ich bin der Auffassung, dass immer noch nicht das Hauptaugenmerk bei unseren Kindern und Enkelkindern liegt, sondern Auswüchse in der Banken- und Autowelt wichtiger sind. Der Schrei nach Hochqualifizierten und Facharbeitern soll nicht ins Ausland gehen, sondern in unsere Schulen und Universitäten.
Welche Möglichkeiten gibt es, stärkeren pädagogischen Einfluss auf Regierungsbehörden auszulösen, um diese Verkrampfung zu lösen?
Mit freundlichen Grüßen aus dem Striegistal
Angelika Hörner
Sehr geehrte Frau Hörner,
vielen Dank für Ihre Nachfrage zum Thema Öffnung des Arbeitsmarktes.
Die von Ihnen angesprochenen Fälle sind auch für mich schwer nachvollziehbar. Allerdings haben wir in Deutschland das Föderalismusprinzip, der Bereich der Bildung/Ausbildung liegt dabei in der Zuständigkeit der Bundesländer. Für den Bund ist es deshalb sehr schwer Einfluss zu nehmen. Ich persönlich würde mir aber gerade im Bildungsbereich mehr Kompetenzen für den Bund wünschen, weil ich davon überzeugt bin, dass ein „Flickenteppich“ von 16 unterschiedlichen Bildungssystemen hinderlich für unsere nationale Anstrengungen zur Verbesserung der Ausbildungsqualität ist. Es ist für mich ein Unding, dass ein Wohnort- und /oder Schulwechsel Probleme aufwerfen kann. Um die Qualität und eine hohe Vergleichbarkeit sowohl der Bildungssysteme in den einzelnen Ländern als auch der Schulen innerhalb eines Landes zu gewährleisten, wird die SPD die Weiterentwicklung und Verbesserung gemeinsamer Bildungsstandards vorantreiben. Außerdem muss unser Schulsystem deutlich durchlässiger werden, d.h., dass Schülerinnen und Schüler länger gemeinsam lernen können.
Trotz allem, der Einfluss des Bundes bleibt beschränkt, trotzdem bemüht sich der Bund im Rahmen seiner Möglichkeiten einzuwirken. Angefangen bei bereit gestelltem Geld für die Ganztagsbetreuung in Schulen, dem Rechtsanspruch auf einen Hauptschulabschluss für jeden Jugendlichen und dem Anrecht auf einen Sprachkurs für Jugendliche mit Migrationshintergrund.
Ein anderer wichtiger Ansatzpunkt ist der Ausbildungsbonus: Mit dem Bonus erhalten rund 100.000 jugendliche Altbewerber, die sich vergeblich um einen Ausbildungsplatz beworben haben, eine neue Chance, ihr Recht auf Teilhabe am Arbeitsmarkt zu verwirklichen. Der zunächst bis 2010 befristete Ausbildungsbonus sieht eine Förderung zwischen 4.000 und 6.000 Euro (je nach Ausbildungsvergütung) vor und dient so als Anreiz, Bewerbern eine Chance zu geben, die keinen Abschluss, Sonder-, Hauptschulabschlüsse oder mittlere Abschlüsse mit höchstens ausreichenden Noten in Deutsch oder Mathematik erreicht haben. Profitieren sollen von dem Bonus auch lernbeeinträchtigte oder anders sozial benachteiligte Jugendliche, die auf dem Ausbildungsmarkt ungleiche Chancen im Vergleich mit besser qualifizierten Bewerbern haben.
Wie Sie sehen, liegt das Primat der Politik natürlich darin, unsere Jugendliche „fit“ für den Arbeitsmarkt zu machen, gerade bei benachteiligten Jugendlichen haben wir verschiedene Instrumente geschaffen, um Vermittlungshemmnisse abzubauen. Allerdings, und auch daran besteht aufgrund unserer demografischen Entwicklung kein Zweifel, werden wir künftig nicht auf Zuwanderung verzichten können.
Mit freundlichen Grüßen
Detlef Müller, MdB