Frage an Dennis Rohde von Silvia P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Rohde,
ich arbeite als Software-Entwicklerin in Oldenburg und bin gegen die Vorratsdatenspeicherung, da sie weder Freiheit noch Sicherheit bedeutet.
In allen kürzlichen Fällen von Terrorismus, z.B. in Frankreich, konnte die Vorratsdatenspeicherung die Attentate nicht verhindern. Im Gegenteil verschleiert die anlasslose Überwachung aller die wichtigen Spuren zu den schlimmsten Verbrechen (Glenn Greenwald: "Die globale Überwachung - Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen"). Zusätzlich steht ein solches Gesetz im absoluten Widerspruch zu unseren demokratischen Rechten auf freie Meinungsäußerung und Privatsphäre.
Wie stehen Sie zu diesen Punkten und zur Vorratsdatenspeicherung allgemein?
Mit freundlichen Grüßen
Silvia Peter
Sehr geehrte Frau Peter,
ich danke Ihnen für Ihre Nachricht hier auf Abgeordnetenwatch, in der Sie das geplante Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung kritisieren. Ich kann Ihnen versichern, dass mich die Debatte um die Speicherung von Kommunikationsdaten als Politiker wie auch als Bürger ebenso bewegt wie viele andere Menschen bei uns in Oldenburg und im Ammerland. Bitte erlauben Sie mir auch deshalb, dass ich in meiner Antwort zum besseren Verständnis ein wenig aushole.
Das ehemalige deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung sowie die entsprechende Richtlinie der EU sind vom Bundesverfassungsgericht beziehungsweise dem Europäischen Gerichtshof verworfen worden. Und zwar völlig zu Recht! Diese Regelungen sahen tiefe, anlasslose Eingriffe in die Sicherheit unser aller persönlichen Daten vor, die echte Einschnitte in die Freiheit in Deutschland bedeutet hätten. Dagegen ist das erklärte Ziel der Leitlinien, die jetzt vorgelegt worden sind, den Gerichtsurteilen entsprechend zu beschließen und den Missbrauch der gespeicherten Daten zu verhindern.
Eine Anforderung der Daten von den Unternehmen, die die Speicherung vornehmen, kann nur mit Richterbeschluss erfolgen und es gibt auch ausdrücklich auch keine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft, die diesen umgehen könnte. Zudem gilt: Der Abruf der Daten durch die Ermittlungsbehörden ist keine verdeckte Maßnahme – die Betroffenen werden darüber informiert. Eine geheime Generalüberwachung soll so verhindert werden. Dieser Abruf der Daten ist nur beim Verdacht auf schwerste Straftaten wie Mord, Menschenhandel, Terrorismus oder Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung möglich. Außerdem sind die zu speichernden Daten eng umfasst – E-Mails sind zum Beispiel gänzlich ausgenommen, der Inhalt der Kommunikation ohnehin. Geheimnisträger wie Geistliche oder Ärzte sind vor dem Abruf ihrer Daten geschützt.
Der Zeitraum, über den die Daten gespeichert werden müssen, soll künftig lediglich zehn Wochen betragen (nur vier Wochen bei Mobiltelefon-Funkzellen, um die Erstellung von Bewegungsprofilen auszuschließen). Danach müssen diese Daten zwingend und dauerhaft gelöscht werden. Um hart gegen Missbrauch von Daten vorzugehen, ist ein neuer Straftatbestand der Datenhehlerei angedacht.
Im Vergleich zu den ursprünglich von der CDU angedachten Regelungen ist es der SPD gelungen, in den jetzt vorliegenden Entwurf erhebliche Verbesserungen einzuarbeiten, die ich oben kurz dargestellt habe. Ich persönlich stehe der Vorratsdatenspeicherung skeptisch gegenüber. Auch deshalb sind diese Verbesserungen für mich von entscheidender Bedeutung. Sie erlauben es mir, einer Neuregelung offener gegenüberzustehen, statt sie von vornherein zu verwerfen.
Eins ist mir noch ganz wichtig: Wir stehen noch vor Anfang des Gesetzgebungsprozesses. Bislang liegen nur Leitlinien vor und noch kein Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag. Sobald dies der Fall ist, werden meine Kollegen und ich das Verfahren in den Ausschüssen und in Experten-Anhörungen konstruktiv und vor allem kritisch begleiten. Für meine persönliche Entscheidung ist dabei maßgeblich, ob die gewonnenen Einschränkungen ausreichen, um die Entfaltung der persönlichen Freiheit jedes Bundesbürgers sicherzustellen. Dabei wird sicher auch die Frage der demokratischen Rechte intensiv beraten.
Ich hoffe, ich habe Ihnen meine Position klar darlegen und Ihnen, gerade als IT-Expertin, einige Ihrer Bedenken nehmen können. Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen gerne auch für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.
Herzliche Grüße
Dennis Rohde