Hallo Herr Stoop: Wie stehen Sie zum Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Kabul (August 2021)? Hätten Sie sich wie die meisten Ihrer Parteikolleg*Innen bei der Mandatsabstimmung enthalten?
Sehr geehrter Herr W.,
entsprechend der Empfehlung unseres Parteivrstands hätte auch ich mich bei der Abstimmung enthalten. DIE LINKE hat sich von Beginn an gegen Krieg als Mittel zur Verbreitung von Menschenrechten gewendet und ein solches Unterfangen als aussichtslos kritisiert. Dies hat sich in den 20 Jahren des Afghanistankriegs auf traurige Weise bewahrheitet. Immer wieder fielen deutschen und amerikanischen Bomben auch Zivilist:innen zum Opfer. Die von den USA und der BRD gestützte Regierung war von Misswirtschaft und Korruption geprägt. Nur vor diesem Hintergrund ist der Siegeszug der Taliban überhaupt zu erklären.
Im Endergebnis stehen die Taliban nun gestärkt da. Aufgerüstet mit amerikanischer (und zu einem geringen Anteil wohl auch deutscher) Militärtechnik und ideologisch gestärkt durch ihren "Sieg" über die Besatzungsmächte. Der Terror wurde letztlich ebenfalls gestärkt. Die Ziele des Einsatzes wurden also sämtlich verfehlt. Dieses Desaster haben CDU, SPD, Grüne und FDP zu verantworten. Auf den Prüfstand gehört jedoch nicht nur dieser Einsatz, sondern die Doktrin der mit Menschenrechten begründeten Angriffskriege insgesamt.
DIE LINKE hat bereits in der ersten Jahreshälfte den sicheren Abzug der sogenannten "Ortskräfte" gefordert. Dass dies nicht geschehen ist, ist ein Skandal. Umso wichtiger ist es jetzt, unbürokratische Aufnahmeregelungen für Geflüchtete aus Afghanistan zu schaffen und sich nicht auch um diese Verantwortung zu drücken.
Zum Beschluss des sog. "Evakuierungseinsatzes" im August hier der Beschluss unseres Parteivorstands:
Eine Zustimmung käme nur unter der Bedingung in Betracht, dass alle Ortskräfte und alle Menschenrechtsaktivisten*innen gleichberechtigt mit gerettet werden. Sollte das Mandat – wie bislang – eine Evakuierung fast nur für Deutsche vorsehen, und wenn nicht ausgeschlossen wird, dass sich die Bundeswehr den Weg durch Kabul erst freischießen muss, kommt nur die Enthaltung in Betracht.
DIE LINKE fordert:
- Sofortige Einrichtung einer Luftbrücke, um akut gefährdete Menschen und ihre Familien nach Deutschland zu holen.
- Schutz und Aufnahmeprogramme für alle Afghan*innen, die von den Taliban verfolgt werden.
- Direkte Aufnahme der Menschen aus Afghanistan durch die bereitstehenden Länder und Kommunen in Deutschland ermöglichen.
- Die Einrichtung von sicheren Fluchtwegen für alle Menschen, die das Land verlassen wollen.
- Sofortiger Abschiebestopp und Bleiberecht für Afghan*innen in Deutschland.