Frage an Daniela Kolbe von Michael H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Kolbe,
ich bin das erste mal auf dieser Seite und habe mit großem Interessse Ihre Antworten und Stellungnahmen gelesen.
Unverständlich fand ich den letzten Satz Ihrer Antwort zum Thema Griechenlandhilfe in der Sie schrieben: "Es geht nicht nur um Griechenland, sondern es geht um dieses Europa, in dem Freiheit und Demokratie die Grundfesten unseres gemeinsamen Hauses sind, in dem die Menschen in Frieden mit ihren Nachbarn leben sollen."
Meine Anmerkungen und Fragen dazu:
Eine entscheidende Rolle bei der "Griechenlandrettung" spielt die Troika. Dieses Gremium ist in den europäischen Verträgen nicht vorgesehen und damit eigentlich rechtswidrig. Es ist somit weder demokratisch legitimiert noch in seinen Entscheidungen einem gewählten Parlament rechenschaftspflichtig bzw. von diesem kontrollierbar. Die Troika unterliegt nicht den Regeln des Rechtstaates, ihre Sitzungsprotokolle sind geheim. Entspricht das Agieren dieses Gremiums der von Ihnen angesprochenen europäischen Grundfeste "Demokratie"?
Die "Reformen" auf die sich Griechenland einlassen musste, um ein drittes Hilfsprogramm zu bekommen, haben dort wieder zu tiefen und einseitigen Einschnitten, meist im sozialen Bereich geführt. Aus meiner Sicht können diese weder zum Schuldenabbau noch zur wirtschaftlichen Erholung führen. Auch ein Austritt aus dem Euro ist durch dessen Konstruktion bzw. die der Verträge ohne verheerende wirtschaftliche und soziale Schäden nicht möglich. Wie lange wollen wir noch Geld nach Griechenland pumpen, das zwar unsere Banken rettet, aber mit diesen Auflagen die griechische Wirtschaft immer weiter in die Rezession treibt. Wie lange wird das griechische Volk noch friedlich und in Freiheit im vereinten Europa mit uns leben wollen? Demontieren wir mit unserer einseitigen Finanz-und Klientelpolitik nicht auch stetig den Glauben der Menschen an ein freiheitliches, demokratisches und friedliches Europa?
Mit freundlichen Grüßen
M. Hurtig
Sehr geehrter Herr Hurtig,
ich danke Ihnen für die Nachricht. Viele der Fragen, die Sie sich stellen, stelle ich mir auch.
Die sogenannte „Troika“ oder die „Institutionen“, wie die Unterhändler von EU-Kommission, IWF und EZB seit den Verhandlungen um das dritte Hilfsprogramm für Griechenland nun häufig bezeichnet werden, ist indirekt demokratisch legitimiert. Im Gegensatz zum Europäischen Parlament, dessen Abgeordnete direkt von den Bürger(-inne)n der Mitgliedsstaaten gewählt werden. Die SPD fordert seit vielen Jahren, dass die Entscheidungskompetenzen der EU von den hoheitlichen Institutionen, die von den Staats- und Regierungschefs gelenkt werden, mehrheitlich auf das Parlament übertragen werden. Wir sehen darin ein Mittel, um das vorhandene Demokratiedefizit der Europäischen Union abzubauen. Es ist jedoch ein langer Weg, den die SPD hier beschreitet.
Ihre Kritik an der Ausrichtung der Hilfen für Griechenland kann ich nachvollziehen. Die soziale Komponente ist in der Tat nicht stark ausgeprägt. Die Reformen waren und sind leider immer noch recht einseitig auf Kürzungen statt auf Investitionen ausgerichtet. Als Deutschland aufgrund der Finanz- in eine Wirtschaftskrise geriet, haben wir mit insgesamt 100 Milliarden Euro die Wirtschaft gestärkt, Arbeitsplätze gesichert und private Haushalte entlastet. Dieser Weg hat für uns gut funktioniert.
Ich versichere Ihnen, dass meine SPD-Kolleg(-inn)en und ich weiter für eine Europapolitik arbeiten, die soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung befördert.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Kolbe