Frage an Daniela Kolbe von Andreas L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Kolbe,
ich wende mich aus Aktuellem Anlass an Sie, als meine Vertreterin im Bundestag, aufgrund der Pläne der Großen Koalition die Vorratsdatenspeicherung einzuführen, zu der Herr Maas vor kurzem die Leitlinien präsentiert hat.
Auch wenn Ihre Fraktion Ihnen das vermutlich anders vorgeben wird, appelliere ich an Ihre Integrität als Vertreterin des Volkes und bitte Sie gegen dieses Vorhaben zu stimmen in der entsprechenden Bundestagsabstimmung.
Das Grundgesetz garantiert uns eine Unschuldsvermutung. Wird die Vorratsdatenspeicherung eingeführt wird das ganze Volk unter Generalverdacht gestellt.
Verschiedene Studien, die in der EU durchgeführt wurden, haben ergeben, dass die Vorratsdatenspeicherung zu keinen nennenswerten Verbesserungen der Verbrechensaufklärungsquote führte. Die Vorratsdatenspeicherung soll gegen Terrorismus und schwere Straftaten verwendet werden. Gerade diese Gruppen werden die Vorratsdatenspeicherung sehr einfach technisch umgehen können und damit wirkungslos machen. Dies wird auch dazu führen, dass viele Laien und technisch versierte Menschen die Datenerhebung umgehen werden. Sie müssen also damit rechnen, dass ein Teil des Volkes aktiv dagegen vorgeht.
Der Missbrauch durch Speicherung von Daten, selbst wenn nur Metadaten und keine Inhaltsdaten erhoben werden, ist hoch. Durch Metadaten lassen sich sehr leicht Persönlichkeitsprofile erstellen, die durchaus lohnen, entwendet und zum Verkauf angeboten zu werden. Die Gefahr des Missbrauchs durch Dritte ist hoch. Das zeigt ein Vorfall in Frankreich, bei dem Hacker Einhunderttausend Kundendaten der Firma France Televisions entwendet haben. Keine Firma kann sagen, sie sind absolut sicher vor Hackerangriffen.
Es gibt noch mehr Gründe, die erlaubte Zeichenanzahl reicht nicht aus alles aufzulisten.
Sie werden eine Verbrechensbekämpfungsmaßnahme forcieren, die keinen nennenswerten Mehrwert hat. Bitte stimmen Sie gegen dieses Gesetz.
Mit freundlichen Grüßen
A.L.
Sehr geehrter Herr Langer,
vielen Dank für Ihr Schreiben. Bitte entschuldigen Sie die späte Antwort.
Ich stimme Ihnen zu. Auch für mich gibt es weder einen Grund noch einen Anlass für eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Darum werde ich gegen den von Ihnen angesprochenen Gesetzentwurf stimmen.
Nach meiner Auffassung gefährdet die anlasslose Speicherung von IP-Adressen, Standortdaten und anderen Kommunikationsdaten die Privatssphäre von Bürgerinnen und Bürgern ohne dabei geeignet zu sein, Verbrechen zu verhindern. Die flächendeckende Überwachung der elektronischen Kommunikation ist undifferenziert und ineffektiv. Sie kann maximal im Nachhinein bei der Verfolgung der Täter helfen. Bei dieser Strafverfolgung bringt die Vorratsdatenspeicherung jedoch in vielen Fällen kaum messbare Vorteile im Vergleich zur konventionellen Ermittlungsarbeit.
Daher bleibt in meinen Augen auch die geplante Neuregelung ein schwerer Eingriff in die Grundrechte. Nach dem Urteil des EuGH zur EU-Richtlinie gibt es derzeit ohnehin keine Bestrebungen der Kommission, eine neue Regelung auf den Weg zu bringen. Daher besteht für mich auch kein Anlass, die Vorratsdatenspeicherung überhaupt in Deutschland einzuführen.
Gleichwohl ist es erstaunlich, was Bundesminister Heiko Maas in den Verhandlungen zur Gesetzesvorlage gelungen ist. Die „Leitlinien zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ bedeuten der Sache nach zwar nichts anderes als die Wiedereinführung einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung. Dennoch lassen sie die Speicherung von Kommunikationsdaten auf Vorrat nur in engen Grenzen zu. Im Vergleich zu früheren Regelungen sind sie deutlich besser. Im Kontext einer großen Koalition hat Minister Maas zweifelsohne die bestmögliche Lösung erstritten.
Die SPD Sachsen steht der Vorratsdatenspeicherung seit vielen Jahren kritisch gegenüber. Bereits 2008 hat ein Landesparteitag die Ablehnung beschlossen. Zuletzt wurde 2012 das SPD-Mitgliederbegehren gegen die Vorratsdatenspeicherung unterstützt. Diese Position meiner Landespartei teile ich weiterhin.
Die grundsätzlichen datenschutzrechtlichen Bedenken des Bundesverfassungsgerichts und des Gerichtshofs der Europäischen Union sind meiner Meinung nach ungebrochen. Die Umsetzung der Leitlinien birgt selbst angesichts der veränderten Sicherheitslage weiterhin gravierende verfassungsrechtliche Risiken. Nach meiner Einschätzung würde eine neuerliche Beanstandung durch das Bundesverfassungsgericht oder den Gerichtshof der Europäischen Union das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in einen ausreichenden Schutz ihrer persönlichen Daten weiter erschüttern. Dies hat durch die vielfältigen Enthüllungen über rechtswidrige Datenerhebungen von Sicherheitsdiensten der letzten Jahre bereits nachhaltig gelitten.
Unter folgendem Link können Sie den Beschluss des Landesparteitages der sächsischen SPD einsehen:
http://www.spd-sachsen.de/wp-content/uploads/2014/10/BE01-Mitgliederbegehren-zur-Vorratsdatenspeicherung.pdf
als auch den aktuellen Antrag des SPD-Landesvorstandes auf dem SPD-Parteikonvent am 20. Juni 2015:
http://www.spd-sachsen.de/wp-content/uploads/2015/06/LV14-B-UL01-Vorratsdatenspeicherung.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Kolbe