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Daniela Kolbe
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Frage von Melchior J. •

Frage an Daniela Kolbe von Melchior J. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Guten Tag Frau Gruner,

Ihre Partei fordert die Einführung einer gesetzlichen Lohnuntergrenze von 8,5 Euro/h. Wie stehen Sie zu den folgenden potenziellen Problemen:

1. Die gesetzliche Lohnuntergrenze könnte sich als nachteilig für genau diejenigen Menschen erweisen, die durch das Gesetz gestärkt werden sollten: Schließlich hat ein Unternehmen nach der (erzwungenen) Lohnerhöhung nicht mehr Kapital als vorher, muss aber mehr Geld ausgeben. Dadurch fallen Arbeitsplätze weg. Das bedeutet: Je weniger Menschen Geld verdienen (so wenig es auch sein mag), desto ungleicher sind die EInkommen verteilt. Kurz: Höhere Löhne, mehr Entlassungen.

2. Der Mindestlohn würde einen (m.E. hier in Leipzig) nennenswerten Bereich des Arbeitsmarktes beseitigen: den studentischen Nebenjob. So kann man bei einer Beschäftigung auf 450Euro-Basis auch mit einem Lohn von 5,50 oder 7 Euro stündlich zufrieden sein, da man sich nur etwas dazuverdienen möchte oder sogar "halb-ehrenamtlich" arbeitet. Das wäre mit dem Mindestlohn nicht mehr möglich. Schade.

Sagen Sie mir Ihre Meinung, denn die würde ich schließlich wählen! Danke.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr John,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Mindestlohn. Auch wenn ich nicht Frau Gruner bin, kann ich Ihnen dennoch gern eine ausführliche Antwort aus meiner Sicht dazu geben.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Deutschland heute eines der wenigen bzw. letzten Länder in Europa ist, dass noch keinen gesetzlichen Mindestlohn beschlossen hat. Wagt man einen Blick über unsere Grenzen hinaus, so kann man feststellen, dass die Einführung des Mindestlohns z. B. 1999 in Großbritannien zu keinem Jobabbau geführt hat.

Zum andern lohnt es sich die Höhe der Löhne in Deutschland genauer vor Augen führen. Löhne von unter 5 Euro/Stunde sind keine Seltenheit mehr und ich spreche hier nicht von Studentenjobs, sondern zum Teil sogar von tariflich festgelegten Löhnen.

Solche Niedriglöhne entwerten in meinen Augen menschliche Arbeit. Hier muss etwas gegen getan werden. Denn von 5 Euro in der Stunde kann kein Mensch leben, ohne Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen und aufzustocken.

Und genau diese Niedriglöhne sind es aber, die derzeit mit Arbeitslosengeld II aufgestockt werden. Allein zwischen 2005 und 2011 hat der Staat zur Aufstockung unzureichender Löhne 53 Milliarden Euro ausgegeben! Möglicherweise auch Ihr Steuergeld. Schlussendlich, verdrängen solche Arbeitgeber die derartige Dumpinglöhne auf Kosten der Gemeinschaft zahlen, die guten Arbeitgeber die heute schon faire Löhne zahlen, vom Markt. Dem und der Lohnspirale nach unten muss ein Ende gemacht werden.
Sehr geehrter Herr John, von der Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns, wären aber alle „Konkurrenten“ gleichermaßen betroffen. Auch die Arbeitgeber, die heute Dumpinglöhne zahlen, müssten dann einen Mindestlohn von 8,50 Euro zahlen. Damit wäre eine echte Konkurrenzbei unter Arbeitgebern und Unternehmen wieder hergestellt und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden entsprechend Ihrer geleisteten Arbeit angemessen und gerecht bezahlt. Zudem müsste die Gemeinschaft weniger stark mit Steuergeldern einspringen und müsste auch nicht mehr die Dumpinglöhne schlecht zahlender Arbeitgeber subventionieren.

Als SPD wollen wir einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro, egal ob in Ost oder West, Nord oder Süd. Es geht für uns darum, den Wert von geleisteter Arbeit besser zu würdigen und mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn ein Fundament zu schaffen, auf das man aufbauen kann, um weitere Missstände anzugehen. Lassen Sie mich aber noch eine Studie anführen. Das unabhängige Institut Prognos untersuchte bereits vor zwei Jahren die Effekte eines Mindestlohns in Deutschland und kam zu dem Ergebnis, dass von einem Mindestlohn von 8,50 Euro circa 5 Mio. Erwerbstätige profitieren würden, zu zusätzlichen Einkommensteuerzahlungen in Höhe von etwa 2,7 Mrd. Euro sowie zusätzlichen Sozialbeiträge in Höhe von ebenfalls etwa 2,7 Mrd. Euro bei gleichzeitiger Entlastung unseres staatlichen Sozialtransfersystem um 1,7 Mrd. Euro führen würde. Eine neuere Studie des DGB geht zusätzlich davon aus, dass ein Mindestlohn eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf die Kaufkraft hätte und damit auch dazu führen würde, dass gerade im Dienstleistungsbereich eben keine Jobs abgebaut werden würden. Sie sehen ein Mindestlohn hat positive Effekte für unser Land.

Selbst die schwarz-gelbe Bundesregierung musste dies einräumen. Mindestlöhne zerstören nicht automatisch Arbeitsplätze, denn mit der Einführung von neuen Branchenmindestlöhnen in den vergangenen Jahren, die die Tarifpartner selbstständig ausgehandelt, wurden keine Jobs vernichtet.

Mit freundlichen Grüßen

Daniela Kolbe