Frage an Daniela Kolbe von Stefan K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Liebe Frau Kolbe,
Mich würde interessieren, ob Sie jenseits der Forderung nach einem Mindestlohn - würden sie für 7,50 Euro, oder für mehr plädieren? - noch weitgehendere sozialpolitische Vorstellungen und Forderungen haben?
Ich meine, dass ist ja nicht nicht das Ende der Welt, wenn sowas eingeführt würde, wenn man die Entwicklungen in GB und Frankreich vergleichend hinzuzieht. Kurzum: Was können wir an sozial- und arbeitsmarktpolitischen Visionen von Ihnen erwarten?
mit besten und sozialdemokratischen Grüssen, S.K.
Sehr geehrter Herr Kausch,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Mindestlohn und und zur Frage der sozialpolitischen Vision, die ich sehr gern beantworten möchte.
Ich bin eindeutig für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes, der Arbeitnehmer/-innen vor Dumpinglöhnen schützt und einen Wettbewerb von ganzen Branchen allein über die Lohnfrage verhindert. 7,50 Euro halte ich für einen guten Einstiegswert, aus zwei Gründen: Ein solcher Mindeststandard hat zum Ziel, wie etwa auch die Festlegung von gesetzlichen Maximalarbeitszeiten oder Mindesturlaubsansprüche, die Arbeitnehmenden in diesem Land vor prekären und gesundheitsschädigenden Arbeitsverhältnissen zu schützen. Der Normalfall sollte immer darin bestehen, dass Tarife den Arbeitnehmenden bessere Arbeitsbedingungen garantieren.
Mit 7,50 Euro brutto pro Stunde wird bei einer 40-Stunden-Woche ein Verdienst erreicht, mit dem man in Deutschland derzeit leben, wenngleich sicher aber keine großen Sprünge machen kann. Zum zweiten hat sich eine breite gesellschaftliche Allianz (Gewerkschaften und mehrere demokratische Parteien) auf den Wert von 7,50 Euro geeinigt, was eine Durchsetzung eines solchen Mindestlohnes erleichtert. Ein gesetzlicher Mindestlohn muss natürlich immer wieder den gesellschaftlichen Bedingungen angepasst werden, dazu ist aus meiner Sicht eine unabhängige Mindestlohnkommission einzusetzen.
Dass mehr als 14 Prozent (Quelle: http://www.idw-online.de ) der Beschäftigten von einem solchen Mindestlohn profitieren würden, dabei überdurchschnittlich oft Geringqualifizierte und Frauen, zeigt, dass wir es mit einem tiefgehenden gesellschaftlichen Problem zu tun haben. In den letzten Jahren beobachten wir eine erschreckende Ausweitung des Niedriglohnsektors. Auch immer mehr gut qualifizierte junge Menschen und Menschen in Vollzeitbeschäftigung sind von niedrigen Löhnen betroffen. Diese Menschen leiden unter einer großen Unsicherheit, da sie kaum finanziellen Spielraum haben und zudem nur spärlich von unseren Sozialsystemen (insbesondere der Renten- und Arbeitslosenversicherung) profitieren. Hier besteht aus meiner Sicht dringender Handlungsbedarf, u.a. durch Regelungen für die Leih- und Zeitarbeit, die den dort Beschäftigten mindestens die gleichen Bedingungen wie den regulär in den ausleihenden Betrieben Beschäftigten zusichern. Zudem muss es möglich sein, dass öffentliche Aufträge an Tarifbindung geknüpft werden. Handlungsbedarf sehe ich auch bei der Frage in welche Beschäftigungsverhältnisse Arbeitssuchende vermittelt werden dürfen, und wie angesprochen, müssen wir uns darüber unterhalten, wie wir Menschen jenseits des "Normalarbeitsverhältnisses" besser durch unsere Sozialsysteme absichern können.
Sie fragen nach meiner sozialpolitischen Vision. Ich möchte in einem Land leben, in dem weiterhin das Solidarprinzip für die Absicherung von Lebensrisiken gilt, einem Land, in dem starke Schultern mehr tragen als Schwache und in dem alle Menschen die gleiche Freiheit haben ihr Leben nach ihren Wünschen zu gestalten.
Wenn Sie dazu konkrete Nachfragen haben: Jederzeit gern!