Frage an Daniel Caspary von Florian W. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sehr geehrter Herr Daniel Caspary,
ich hätte bezüglich der EU-Urheberrechtsreform - Uploadfilter ein paar Fragen an Sie.
Ich bin gegen diese Reform aufgrund folgenden Gründen:
Erstens müssten Anbieter erst einmal wissen, welches Material denn überhaupt geschützt ist. Sie benötigten also theoretisch Lizenzen von allen Rechteinhabern, was schon logistisch kaum möglich ist. Zweitens müssten sie eine technische Lösung finden, die fehlerfrei funktioniert. Die gibt es bislang nicht, bestehende Filtersystem wie ContentID von YouTube irren sich regelmäßig. Drittens könnten die Plattformen aus Angst vor Unterlassungsansprüchen mehr Inhalte blockieren, als sie tatsächlich müssten. Viertens das könnte die Meinungsfreiheit einschränken. Und fünftens gibt es gar nicht für alle Bereiche Verwertungsgesellschaften wie etwa die Gema, die Lizenzen vergeben. Betroffen wäre davon etwa die Code-Plattform Github.
Deswegen kann ich es nicht verstehen warum Sie für die EU-Urheberrechtsreform - Uploadfilter gestimmt haben.
Um eine Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar,
mit freundlichen Grüßen
F. W.
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu Reform des Urheberrechts.
In der Schlussabstimmung am 12. September zu dem neuen Gesetzeswerk (Volltext unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2018-0337+0+DOC+XML+V0//DE) konnten wir einen sehr guten Kompromiss zwischen berechtigten Nutzerinteressen und jenen von Kunstschaffenden auf faire Entlohnung erzielen. Dabei bleiben kleinere Dienste oder auch Wikipedia vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen (siehe Abänderung 150). Nur große Unternehmen, die durch die kommerzielle Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken, die ihnen nicht gehören, Gewinne erzielen, müssen nun Lizenzvereinbarungen mit Künstlern abschließen. Damit wird endlich das extreme Ungleichgewicht zwischen Kunstschaffenden und den Internetgiganten in die Waage gebracht. Genauso sind wissenschaftliche Projekte, die mit Data-Mining arbeiten, ausgenommen, wie Sie in der Abänderung 64 nachvollziehen können.
Explizit geschützt sind auch die Benutzung von Hyperlinks für Privatpersonen bei nichtgewerblicher Nutzung (siehe Abänderung 151 ff.) während es weiterhin Ausnahmen für Memes oder anderweitig kreativ veränderte geschützte Werke gibt (Abänderung 20). Sollte ein Nutzer unrechtmäßig am Upload eines nicht urheberrechtlich geschützten Werkes gehindert worden sein, steht ein zügiger Beschwerdemechanismus bereit (Abänderung 156 ff.). Des Weiteren haben die Plattformen selbst natürlich auch kein Interesse an in irgendeiner Form exzessiven Uploadsperren, da sie das Abwandern von Nutzern selbstverständlich verhindern wollen.
Genauso befürchten einige, dass durch Artikel 11 des Gesetzesentwurfs die Verbreitung von Nachrichten über das Internet eingeschränkt werden könnte. Stattdessen zielt die Maßnahme aber durch die Stärkung der Verhandlungsposition von Verlagen gegenüber den Internetgiganten darauf ab, das essentielle öffentliche Interesse an gutem Journalismus, sowohl national, regional als auch lokal, zu stärken.
Derzeit greifen digitale Plattformen wie Google und Facebook bis zu 80 Prozent der Werbeeinnahmen von Verlagen ab, wenn deren Artikel über eine Social-Media-Plattform angeklickt wurde. Eine solche Situation können wir nicht einfach stehenlassen - sie führt zu einer wirtschaftlichen Schieflage zu Lasten der Verlage und Zeitungen. Dies ist einer der Hauptgründe für das derzeitige Zeitungssterben, bei dem viel an Meinungsvielfalt verlorenzugehen droht.
Alle weiteren Informationen finden Sie auch auf den Seiten des Europäischen Parlaments unter http://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20180906IPR12103/parlament-legt-position-zur-urheberrechtsreform-fur-das-internetzeitalter-fest. Das Parlament muss nun seine Position noch mit dem Ministerrat abstimmen (Details hier: http://www.europarl.europa.eu/germany/de/die-eu-und-ihre-stimme/ordentliches-gesetzgebungsverfahren) bevor das Projekt Gesetzeskraft erlangt.
Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte und verbleibe
mit freundlichen Grüßen...
Daniel Caspary.