Sehr geehrter Herr Caspary, haben Sie für oder gegen NGT gestimmt und sind Sie für oder gegen eine Kennzeichnung von genmanipulierten Lebensmitteln? Grüße
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Die bisherigen Regeln zu genveränderten Pflanzen sind Jahrzehnte alt und entsprechen nicht mehr dem jetzigen Forschungsstand. Bei kaum einem anderen Thema gehen die Meinung von Fachleuten und der Öffentlichkeit so weit auseinander wie im Falle der Gentechnik, was auch an den Fortschritten der Wissenschaft in dem Bereich liegt. Bereits 2019 forderten führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine "wissenschaftlich begründete, differenzierte Regulierung" (siehe hier und hier). Sie machen deutlich, dass jede Art von Pflanzenzucht auf Genveränderung setzt, traditionelle Formen wie Kreuzung aber auf zufällige Mutationen angewiesen sind. Neue genomische Techniken (NGT) hingegen zeichnen sich durch Kontrolle und Präzision aus. NGT-Pflanzen der Kategorie 1 sind Pflanzen, bei denen nur sehr wenige Eingriffe vorgenommen wurden. Die Änderungen hätten auch durch konventionelle Züchtung – wenn auch sehr viel langsamer – erreicht werden können. Deshalb werden diese Pflanzen der Kategorie 1 in der Zulassung als gleichwertig zu herkömmlichen Pflanzen betrachtet. Für alle weiteren NGT-Pflanzen der Kategorie 2 gelten weiterhin strengere Regeln, und selbstverständlich die Kennzeichnungspflicht.
Zudem gibt die intensive Forschung der vergangenen Jahrzehnte deutliche Hinweise darauf, dass mit den neuen genomischen Techniken konventionelle Landwirtschaft ressourcenschonender, ertragsreicher und klimafreundlicher gestaltet werden kann (siehe Klümper & Qaim 2014, hier in englischer Sprache nachzulesen). Nach über 30 Jahren Forschung kann nicht mehr von einem "Vorsorgeprinzip" gesprochen werden. Statt eine Technik aus Prinzip zu verteufeln, sollten neue Sorten, die durch NGT gewonnen wurden, ebenso wie traditionelle Kreuzungen intensiv auf Unbedenklichkeit geprüft werden. Aus diesen Gründen halte ich die aktuellen Regelungen für nicht mehr zeitgemäß und habe für die wissenschaftlich fundierte Positionierung des Europäischen Parlamentes gestimmt, die Sie hier nachlesen können.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen und stehe Ihnen gerne auch weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen ...
Daniel Caspary.