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Daniel Caspary
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Frage von Susanne M. •

Frage an Daniel Caspary von Susanne M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Caspary,

wie stehen Sie, zu den Handelsabkommen CETA, TTIP und TiSA?

Ich habe den Eindruck, als ob die Entscheidungsfindung dem Glauben: „Die Wirtschaft wird es schon richten“ und deren Interessenvertretern überlassen wird.

Die modernen Freihandelsabkommen nutzen letztendlich nur den Großkonzernen. Sie können das billigste Angebot machen. Daß dabei die Klein- und Mittelstandsbetriebe, die, wie man mittlerweile erkannt hat, das Beste sind, was wir haben, auf der Strecke bleiben, scheint die Politiker nicht zu interessieren. Billigste Angebote fordern ihren Tribut: soziale und gesundheitliche Standards werden sinken und die Welt wird rücksichtslos ausgebeutet.

Wohin soll dies führen? Und wo sind die Vorteile für ALLE Menschen?

Die Werte:Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und soziale Absicherung sind in dieser Abkommenszukunft gefährdet. Und es gibt keinen befristeten Vertrag und keinen realisierbaren Ausstieg! Unsere Gericht und Parlamente werden im Schatten dieser Freihandelsverträge und ihrer Schiedsgerichte stehen!

Die Würde des Menschen ist die Basis unseres Landes und nicht die gigantischen Gewinne Einzelner aus globalen Konzernen.

Ich hoffe, sehr geehrter Herr Caspary daß meine Bedenken bei Ihnen Gehör finden und verbleibe auf Antwort wartend mit besten Wünschen.

S. M.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Maier,

vielen Dank für Ihre E-Mail zum Thema Freihandel. Sehr gerne lege ich Ihnen meine Position dar.

Ich kann Ihnen an dieser Stelle zuallererst versichern, dass ich diesem Abkommen niemals zustimmen würde, wenn zu erwarten wäre, dass sich auch nur eine der oft geäußerten Sorgen um Demokratie, nationale Souveränität, oder die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und Völkerrecht bewahrheitet. In diesem Sinne beschäftigt und beunruhigt es mich sehr, dass in der öffentlichen Diskussion um CETA, TTIP und TiSA teilweise nicht auf Basis der vorliegenden Rechtstexte, wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen aus bereits abgeschlossenen Abkommen argumentiert wird, sondern von einigen gezielt Verunsicherung geschürt wird.

Die EU schließt Freihandelsverträge ab, um sowohl der sehr wettbewerbsfähigen europäischen Wirtschaft leichteren Zugang zu anderen Wirtschaftsräumen aufzuschließen, als auch den Wettbewerb zu fördern, wovon die Verbraucher in Europa und Deutschland durch niedrigere Preise, innovative Produkte und bessere Qualität profitieren. In keinem Fall geht die EU allerdings Kompromisse ein, die europäischen Verbraucherschutz-, Arbeitnehmer- oder Umweltstandards oder unseren Regelungen zur Bereitstellung öffentlicher Daseinsvorsorge zuwiderlaufen.

Sie können all dies auch konkret in TTIP, CETA und TiSA leicht nachverfolgen. Bei TTIP möchte ich auf das Verhandlungsmandat ( http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/S-T/ttip-mandat,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf ) und insbesondere auf den Punkt 25 (Seite 11) als auch auf Punkt i XIV der Resolution des Europäischen Parlaments ( http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2015-0252+0+DOC+XML+V0//DE ) verweisen. Im TiSA Verhandlungsmandat ( http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-6891-2013-ADD-1-DCL-1/de/pdf ) ist in diesem Zusammenhang Punkt 3 (Seite 3) als auch Punkt (g) i der zugehörigen Resolution des Europäischen Parlaments ( http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2016-0041+0+DOC+XML+V0//DE ) relevant. Im CETA-Volltext (englische Version unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf, deutsche Version unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52016PC0444&from=EN ) finden Sie Regulierungsfreiheit und Umweltschutz bereits in der Präambel auf Seite 3, den Arbeitnehmerschutz im Artikel 23.3 (Seite 184) sowie die Gestaltungsfreiheit der öffentlichen Daseinsvorsorge im Annex II auf Seite 1294 ff. Generell möchte ich zur öffentlichen Daseinsvorsorge auf die grundlegenden Verhandlungsprinzipien der EU verweisen, nach welchen in diesem Bereich öffentliche Monopole, die Diskriminierung ausländischer Anbieter und auch die Rückführung in die öffentliche Hand problemlos möglich sind. Alle Details hierzu finden Sie unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1128&serie=793&langId=de .

Sie sprechen auch die im Kontext von TTIP und CETA umstrittenen Investitionsschutzregelungen an. Das Ziel von Investitionsschutzabkommen ist, das Recht auf Eigentum auch außerhalb Deutschlands und Europas zu schützen. Bis heute hat Deutschland 139 Investitionsschutzabkommen abgeschlossen. Bisher gab es zu diesem Mechanismus weder ablehnende Urteile des Bundesverfassungsgerichts, noch Urteile gegen Deutschland. Die Befürchtung, dass Investitionsschutzklagen angestrengt werden können, sofern sich Änderungen des gesetzlichen Rahmens negativ auf die erwarteten Gewinne von Unternehmen auswirken - beispielhaft genannt sei an dieser Stelle der gesetzliche Mindestlohn, die Mietpreisbremse oder die umfangreiche deutsche Umweltgesetzgebung - trifft zudem nicht zu. Stattdessen muss das klagende Unternehmen nachweisen, dass es durch den Staat, in dem es investiert hat, im Vergleich zu anderen Unternehmen derselben Branche gezielt benachteiligt wurde. Wenn wir das Beispiel des Mindestlohns in Deutschlands weiterverfolgen, findet eben keine solche gezielte Benachteiligung statt, da er nicht einseitig für einzelne Unternehmen, sondern für alle gleichermaßen gilt. Dementsprechend heißt ein Schiedsgerichtsmechanismus keinesfalls, dass ausländische Konzerne ein Vetorecht in der deutschen oder europäischen Gesetzgebung haben. Dennoch wird das Schiedsgerichtssystem in CETA umfassend reformiert: Das Recht öffentlicher Stellen auf Regulierung im öffentlichen Interesse wird ausdrücklich gesichert und eindeutigere und genauere Investitionsschutzstandards definiert, um Missbrauch vorzubeugen. Schiedsgerichtsverfahren werden künftig vor einem ständigen Gericht verhandelt, dessen staatlich bestellte Richter einem strikten Verhaltenskodex unterliegen und die Einrichtung eines Berufungsgerichts ermöglicht die Revision von Verfahren.

Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Investitionsschutzklauseln in CETA ist zu beachten, dass das Grundgesetz ausdrücklich die Teilnahme Deutschlands am Prozess der Völkerrechtssetzung (vgl. Art 23 und 24) erlaubt. Dazu gehört auch, Gremien zur Durchsetzung dieser Verpflichtungen beizutreten. Im Falle der Europäischen Union haben die Mitgliedsstaaten außerdem die Zuständigkeit für internationalen Handel auf die europäische Ebene übertragen. Deshalb kann die EU als Völkerrechtsperson auch internationale Verträge eingehen. Auch der mit CETA geplante Investitionsschutzmechanismus ist nach Einschätzung des unabhängigen Rechtsdiensts des Europäischen Parlaments mit europäischem Recht vereinbar.

Oft wird auch die Sorge geäußert, dass durch die geplante "regulatorische Kooperation" Gesetzesinitiativen zuerst mit dem Handelspartner diskutiert werden müssten. Auch hier ist die Realität eine andere: Unter diesem Stichwort versteht man lediglich den informellen Austausch der Regulatoren beider Seiten bei der Erstellung von neuen Standards. Ein solcher Austausch findet auf internationaler Ebene schon lange statt. Unsere regulären Gesetzgebungsprozesse bleiben völlig unberührt. Von einer Art Vetorecht der Handelspartner über europäische Gesetze kann jedenfalls keine Rede sein, ebenso wenig wie von einer Senkung von Standards auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Dementsprechend formuliert der CETA-Text auch die Ziele der regulatorischen Kooperation. Diese umfassen Schutz und Gesundheit von Mensch, Tier und Natur (CETA Volltext, Artikel 21.2, S. 173). Regulatorische Kooperation soll die verfolgten Schutzstandards also gerade nicht aushebeln, sondern fördern. Lassen Sie mich auch darauf hinweisen, dass solche Regelungen in Freihandelsabkommen insbesondere auch für kleine und mittlere Unternehmen in Europa große Vorteile bieten. Bisher waren in vielen Bereichen sowohl Zölle zu entrichten, als auch sehr unterschiedliche Produktstandards für den Marktzugang in Europa und Kanada oder den USA zu erfüllen. Dies sind oft technisch unterschiedliche Standards, die mit einem höheren oder niedrigeren Schutzniveau nichts zu tun haben - sondern einfach unterschiedlich sind. Ein Beispiel sind Luftschmutzmessgeräte: Ein deutscher Luftschmutzmessgerätehersteller kann seine Geräte in Deutschland und Europa und durch ein Handelsabkommen mit China auch dort problemfrei verkaufen - nicht jedoch in den USA, da die Netzstecker nach einem anderen Verfahren geprüft werden müssen. Deshalb sind ohne regulatorische Kooperation und gegenseitige Anerkennung nur Unternehmen mit entsprechendem Kapital in der Lage, diese Hürde von Doppelzertifizierungen zu überspringen. Ambitionierte Freihandelsabkommen, die Handelsschranken - keinesfalls aber Umwelt-, Arbeitnehmer-, Produkt- und Verbraucherstandards - wo möglich abbauen, schließt also auch gerade kleineren Betrieben ungeahntes Potential auf. Eine Übersicht zu ganz konkreten Chancen für KMU finden auch Sie unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/april/tradoc_152299.pdf.

Sie schreiben weiterhin, dass es keine realisierbare Ausstiegsmöglichkeit aus den Freihandelsverträgen der EU gibt. Dem ist nicht so. In CETA beispielsweise besagt Artikel 30.9 (Seite 229 im Volltext), dass das Abkommen durch beide Parteien jederzeit kündbar ist. Nachdem eine entsprechende Note den Handelspartner über die Entscheidung informiert hat, erlischt das Abkommen nach 180 Tagen. Investitionen, die vor der Kündigung getätigt wurden, werden in diesem Fall allerdings für weitere 20 Jahre unter den Regeln von CETA behandelt, um auch eine langfristige Planungssicherheit zu gewährleisten.

Ein weiteres Argument, das in der öffentlichen Debatte oft zu kurz kommt, ist der Aspekt, dass es an der Zeit ist, die Globalisierung zu gestalten. Es ist nun einmal so, dass die Welt heute anders aussieht als noch vor 40 Jahren, als westliche Staaten die Agenda der Weltwirtschaft fast alleine bestimmten. So müssen wir uns auch angesichts der wachsenden Konkurrenz von Ländern wie China und Indien fragen, ob wir nicht lieber jetzt an der Gestaltung globaler Standards für den Welthandel mitwirken möchten, bevor wir sie von anderen - die unsere Werte wahrscheinlich weniger teilen als Kanada und die USA - diktiert bekommen: Mit TTIP haben wir die Chance, die Spielregeln mitzugestalten.

Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Caspary

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