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Daniel Caspary
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Frage von Dirk M. •

Frage an Daniel Caspary von Dirk M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Caspary,

vor der Europawahl wurden Sie dazu schon bei einer Diskussion befragt, ich habe damals die Antwort nicht verstanden aber vielleicht verstehe ich es auf diesem Weg.
Warum bekommen EU-Bürger die (temporär) im Ausland leben das ausländische Kindergeld für in der Heimat lebende Kinder?
Eventuell gibts ja eine einfache und sinnvolle Erklärung dafür.

Vielen Dank im Voraus

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Maier,

bitte entschuldigen Sie die verspätete Antwort vielmals. Gerne gehe ich mit dieser E-Mail auf Ihre Frage nach den Gründen für den Kindergeldanspruch europäischer Zuwanderer für im Ausland lebende Kinder ein.

Innerhalb der Europäischen Union gelten die Grundfreiheiten des Europäischen Binnenmarktes, der allen Unionsbürgern Niederlassungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit gewährt. Über 14 Mio. EU Bürger leben heute in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsland. Die Freizügigkeit ist damit das von den Europäern am meisten geschätzte EU Recht. In diesem Zusammenhang wird immer wieder darüber diskutiert, welche Sozialleistungen Zuwanderern in Deutschland gewährt werden sollte. Dazu gehört auch der von Ihnen erwähnte Anspruch auf Kindergeld.

Das Recht auf Kindergeld basiert auf europäischer Ebene auf den folgenden juristischen Grundlagen: Art. 73 der Europäischen Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern sieht vor, dass "ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen hat". Die Verordnung ist abrufbar in deutscher Sprache unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31971R1408:de:HTML.

Nach § 62 Abs. 1 des deutschen Einkommensteuergesetzes (EStG) hat in Deutschland Anspruch auf Kindergeld, wer in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Gleichzeitig haben auch Personen Anspruch auf Kindergeld, wenn sie keinen Wohnsitz in Deutschland haben, aber dennoch in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind oder als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden. Das EStG ist abrufbar unter https://dejure.org/gesetze/EStG.

Basierend auf diesen rechtlichen Grundlagen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 12. Juni 2012 in den verbundenen Rechtssachen C-611/10 und C-612/10 entschieden, dass auch temporäre Arbeiter aus der Europäischen Union einen Anspruch auf deutsches Kindergeld haben, sofern sie in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind. Ausschlaggebend für den Anspruch auf Kindergeld ist demnach nicht der Wohnsitz der Kinder, sondern ob der betroffene Arbeitnehmer in Deutschland unbeschränkt Steuern bezahlt. Ist dies der Fall hat der Arbeitnehmer ein Recht auf Kindergeld, auch wenn die Kinder im europäischen Ausland leben. Das Urteil des EuGH ist abrufbar unter http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=123722&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1.

Meiner Meinung nach ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Deutschland eine unverzichtbare Errungenschaft angesichts des Fachkräftemangels in bestimmten Berufssparten. Zu nennen ist beispielsweise die Unterversorgung mit Pflegepersonal im ländlichen Raum. Dennoch muss sichergestellt werden, dass ein Missbrauch dieser Freizügigkeit effektiv unterbunden wird. Dies wird auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung thematisiert. Als Ziel nennen CDU, CSU und SPD in diesem Zusammenhang, die Verringerung der Anreize für Migration in die sozialen Sicherungssysteme im Rahmen der bestehende rechtlichen Möglichkeiten. Dafür sind beispielsweise ein konsequenter Verwaltungsvollzug, die Bekämpfung von Scheinselbständigkeit und Schwarzarbeit, eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Zoll und Behörden vor Ort, ein besserer behördlicher Datenaustausch, die Ermöglichung von befristeten Wiedereinreisesperren sowie aufsuchende Beratung notwendig (siehe S. 76 des Koalitionsvertrag Deutschlands Zukunft gestalten, abrufbar unter https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf ).

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen weitergeholfen zu haben. In manchen Fällen kürzt die Seite abgeordnetenwatch.de die eingefügten URLs automatisch ab. Sollten Sie Probleme beim Öffnen der oben aufgeführten URLs haben, wenden Sie sich bitte direkt an mich bzw. teilen Sie mir bitte Ihre E-Mail-Adresse mit, dann werde ich Ihnen die Links nochmals gesondert zukommen lassen.

Sollten Sie noch weitere Rückfragen haben, können Sie sich gerne an mich wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Caspary

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