Wann kommt die große Landwirtschaftsreformation? Wir brauchen mehr 100% ökologisch bewirtschaftete Kleinflächen in Selbstverwaltung.
Ich wohne in Ihrem Wahlkreis. Der Planet brennt, die Wirtschaft ist kaputt, die Politik ist kaputt. Das ist unser Status quo. Um das wieder gutzumachen, müssen wir u.a. unser Land wieder in die Hand von Kleinbäuer:innen geben. Bis 2030 30% ökologische Landwirtschaft. Das werden Großinvestoren nicht hinbekommen, weil sie kapitalistische Berechnungsgrundlagen verwenden und ökizidale Interessen verfolgen. Wie wollen Sie also, es ganz konkret schaffen, dass ich in Zukunft als ökologischer Kleinbauer auf meiner eigenen Fläche selbstverantwortlich arbeiten kann? Mit Dach über dem Kopf, Strom, Wasser und Internet und mit finanzieller und fachlicher Unterstützung wenn gewünscht.
Sehr geehrter Herr B.,
Sie haben völlig recht, dass es dringend einer sozial-ökologischen Transformation bedarf. Beispielsweise sichern die aktuellen EU-Förderrichtlinien vor allem die Profite der Agrarkonzerne. Große Teile der Landwirtschaft sind für den Verlust der Artenvielfalt mitverantwortlich. Um das zu ändern muss die Orientierung auf Wettbewerb und Export aufgegeben werden. Stattdessen tritt Die Linke dafür ein, dass regionale Erzeugung, Verarbeitung und Wertschöpfung, die umweltfreundlich, gesünder und sozial sind, gefördert werden. Voraussetzung für lebendige ländliche Räume ist die Ausgestaltung lokaler Ernährungsstrategien und regionaler Kreislaufwirtschaft in Kooperation aller Akteur*innen. Dafür bedarf es natürlich auch massiver Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, nur darüber schaffen wir eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Tatsache ist aber auch, dass in urbanen Räumen, beispielsweise in meinem Wahlkreis, Landwirtschaft, auch kleinbäuerliche oder kleinteilige Landwirtschaft, nur bis zu einem bestimmten Grad betrieben werden kann. Als Linker fordern meine Partei und ich :
- Eine Agrarförderung, bei der insbesondere die sogenannten Flächenprämien, nach sozialen, ökologischen und gemeinwohlorientierten Kriterien eingesetzt wird und für einen nachhaltigen Umbau von Landwirtschaft und Ernährung.
- Gute Arbeit in der Landwirtschaft mit flächendeckenden gesetzlichen Mindestlöhnen: Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze müssen auch für mitarbeitende Familienangehörige und Saisonarbeitskräfte Normalität sein. Die Förderung von jungen Landwirt*innen muss ausgeweitet werden. Die pauschale Förderung von Junglandwirt*innen der GAP muss in der gesamten EU durch eine nicht flächengebundene Förderung ersetzt werden.
- Böden dürfen keine Spekulationsobjekte sein. Landgrabbing – auch durch intransparente Share Deals – gehört verboten.
- Transparenz am Bodenmarkt. Dafür müssen die Grundbücher öffentlich gemacht werden.
- Ein EU-Bodengesetz, das eine sozial gerechte Verteilung landwirtschaftlicher Nutzflächen und die Bodenfruchtbarkeit sicherstellt. Staatliche Pachtverträge müssen nach sozialen und ökologischen Kriterien vergeben werden. Wir wollen eine Pachtpreis- und Kaufpreisbremse einführen, die den Zugang zu Land für Akteure ohne oder mit wenig Geld, gemeinwohlorientierte Bodenträger und landwirtschaftliche Existenzgründer*innen erleichtert.
- Wir fordern einen Bodenfonds, damit der öffentliche Bestand wächst. Öffentlicher Boden darf nicht weiter privatisiert werden.
- Mehr Bienen, mehr Käfer, für eine insektenfreundliche Landwirtschaft: Der Einsatz von chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln und chemischen Unkrautvernichtern muss drastisch reduziert werden. Eine Aufteilung in Schutz- und Schmutzgebiete lehnen wir ab. Pflanzenschutzmittel müssen verringert und vielgliedrige Fruchtfolgen müssen ausweitet werden. Wir setzen uns für das Grundprinzip des integrierten Pflanzenschutzes ein: Vorrang für biologische, züchterische sowie anbau- und kulturtechnische Maßnahmen vor chemischen Mitteln.
- Wir stellen uns gegen eine Verlängerung der Zulassung für Glyphosat, das von der WHO als wahrscheinlich krebserregend eingestuft wurde. Wir fordern ein Produktions- und Exportverbot von hochgefährlichen Wirkstoffen für Pflanzenschutzmittel. Die Monopole und Oligopole bei Saatgut, Agrochemie und Düngemittelindustrie, in der Lebensmittelherstellung und im Lebensmittelhandel müssen zerschlagen werden. Die Entwicklung sicherer Pflanzenschutzmethoden wollen wir fördern.
- Die Wälder in der EU müssen erhalten und nachhaltig bewirtschaftet werden. Wir wollen stärker nach ökologischen Kriterien aufforsten.
- Die Ausweitung der Prämien in der Landwirtschaft für das Anpflanzen von Hülsenfrüchten, für die Förderung des Verzehrs und für die Aufwertung von Böden. Das ist Teil einer Eiweiß-/Proteinstrategie und eines nachhaltigen Ackerbaukonzepts.
- Ein umfassendes Förder- und Weiterbildungsprogramm für Landwirt*innen, welches finanzielle Unterstützung leistet und Wissen für die sozialökologische Agrarwende schafft.
- Einen Abbau der Futtermittelimporte. Den Import von Biokraftstoffen aus Nahrungsmitteln wie Mais und Getreide in die EU (und nach Deutschland) lehnen wir ab.
- Die Spekulation mit Nahrungsmitteln, die wenige Reiche reicher macht, muss verboten werden, damit die Menschen in Europa und weltweit nicht wegen hoher Lebensmittelpreise hungern müssen.
- In der Erzeugerkette muss es eine faire Gewinn- und Risikoverteilung geben. Erzeuger*innen, die das größte Risiko tragen, müssen auch den größten Gewinn erhalten. So bleiben Lebensmittel erschwinglich und können kostendeckend produziert werden.
- Es müssen rechtliche Voraussetzungen für faire Verhandlungen zwischen Landwirt*innen und Lebensmitteleinzelhandel über allgemeine Bedingungen, Lieferbedingungen und Preise geschaffen werden.
- Wir setzen uns für eine EU-weite transparente und verlässliche Herkunfts-, Nachhaltigkeits- und Regionalkennzeichnung ein (Sustainable Food System Law).
- 80 Prozent der Bevölkerung lehnen Gentechnik auf dem Teller ab. Anbau von transgenen Pflanzen in der Landwirtschaft, einschließlich sogenannter neuer genomischer Techniken, und Patente auf Saatgut, Pflanzen, Tiere und anderes Leben lehnen wir ab. Sie gefährden die Biodiversität und erhöhen die Abhängigkeit der Produzenten von übermächtigen Weltmarktakteuren. Die von der EU per Verordnung geplante Aussetzung der generellen Kennzeichnung für den Großteil der gentechnisch veränderten Organismen (GVO) muss verhindert werden. Verbraucher*innen haben ansonsten keine Wahl mehr. Das Vorsorgeprinzip muss wieder Vorrang vor dem Innovationsprinzip erhalten.
- Gemeinsam mit dem Bündnis „Wir haben es satt“ fordert Die Linke, dass die EU in Zukunft eine tier-, klima- und umweltgerechte Landwirtschaft fördert und dass Bäuer*innen, die das umsetzen, gute Arbeitsbedingungen und faire Preise bekommen.
Insgesamt muss die Agrarwende darauf ausgerichtet sein, allen Menschen in der EU gesunde und bezahlbare Nahrungsmittel zugänglich zu machen, ohne dabei die Chancen zukünftiger Generationen oder Menschen in anderen Ländern zu zerstören.
Ich hoffe ich konnte Ihre Fragen zufriedenstellend beantworten.
Mit besten Grüßen
Damiano Valgolio