Portrait von Dagmar Andres
Dagmar Andres
SPD
74 %
17 / 23 Fragen beantwortet
Frage von Martin R. •

Was ist der Grund für die Unterechtigkeiten bei der Vermögensbildung?

Sehr geehrte Frau Andres,

bekanntermaßen hat Deutschland unter allen Industrienationen mit das niedrigste pro-Kopf-Vermögen. Die Politik ist also gefordert, die Vermögensbildung in Deutschland zu fördern. Hier gibt es aber massive Ungleichheiten bei der Behandlung von Immobilienvermögen und liquidem Vermögen. Wer sich eine selbst genutzte Immobilie leisten kann, spart sich nicht nur Mietzahlungen. Bei der Vererbung an den Nachwuchs wird das Immobilienvermögen ebenfalls bevorzugt, sofern das Kind die Immobilie selbst bewohnt.

Da sich viele Menschen keine eigene Immobilie leisten können, wird in liquides Vermögen investiert (z.B. in Form von Sparplänen in ETF). Hier wird die Vermögensbildung massiv erschwert (Vorabpauschale, Besteuerung von Dividenden,etc). Was ist der Grund für diese Ungleichbehandlung, die ja gerade auch Menschen trifft, die monatlich nur eine geringere Summe zurücklegen können? Haben Sie das schon einmal bedacht?

Portrait von Dagmar Andres
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr R.,

vielen Dank für Ihre Frage, die eines der Kernprobleme in unserem Land betrifft. Die Hintergründe der Vermögensverteilung in Deutschland sind gut erforscht.

Vermögen bezeichnet in Deutschland den gesamten Besitz einer Person, abzüglich aller Schulden. Dazu zählen unter anderem Immobilien, Bargeld, Bankguthaben, Aktien, Unternehmensbeteiligungen, Versicherungen, Kunstwerke, Schmuck und andere Sachwerte.

Die Vermögensbildung beschreibt den Prozess, durch den Personen Vermögen aufbauen. Dieser Prozess ist eng verbunden mit dem individuellen Einkommen, Konsumgewohnheiten, Investitions- und Sparverhalten. In Deutschland ist das Vermögen sehr ungleich verteilt. Ein kleiner Teil der Bevölkerung besitzt einen Großteil des Vermögens, während breite Bevölkerungsschichten vergleichsweise wenig oder gar kein Vermögen aufweisen. Grob gesagt müssen wir feststellen, dass das reichste Prozent der Menschen in Deutschland genau so viel Vermögen besitzt, wie die ärmsten 75% zusammen. 

Die Ursachen dafür sind mannigfaltig. 

Ganz besonders relevant sind dabei Erbschaften und Schenkungen. Ein erheblicher Teil des Vermögens in Deutschland wird durch Erbschaften und Schenkungen weitergegeben. Reiche Familien profitieren stark von dieser Vermögensweitergabe, während Menschen aus weniger wohlhabenden Familien weniger oder gar nichts erben. Die politische Antwort darauf ist ziemlich klar (und fester Teil unserer politischen Agenda). Zum einen muss dringend die Erbschaftssteuer reformiert werden, damit große Erbschaften gerecht besteuert werden. Um es klar zu sagen: Hier geht es um die Besteuerung von Erbschaften in einer Höhe, die den größten Teil der Bevölkerung gar nicht betreffen. Das klassische Beispiel des Hauses, was an die Kinder vererbt wird, sollte nicht unter eine solche Regelung fallen.

Wie bei so vielen Themen müssen dafür aber die nötigen politischen Mehrheiten vorhanden sein. Dies war leider weder in den Regierungen der Merkelzeit, noch aktuell in einer Ampelkoalition mit der FDP durchsetzbar.

Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Vermögensbildung ist das Einkommen. Vermögensbildung aus Einkommen ist erst möglich, wenn die grundlegenden Konsumbedürfnisse und Lebenskosten wie etwa Miete etc. abgedeckt sind. Hier sind durch die Einführung und die Anpassung des Mindestlohns dank unserer Politik bereits wichtige Erfolge erzielt worden. Auch die weitere Stärkung tarifgebundener Arbeit und die Reduzierung prekärer Beschäftigungsverhältnisse (beispielsweise durch das Verbot sachgrundloser Befristungen) sind Maßnahmen unserer Politik. Mit der Neujustierung der Arbeitsmarktmaßnahmen mit einem Fokus auf Qualifizierung und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt wurde durch die Ampelregierung eine wichtige Stellschraube genutzt.

Auch in der allgemeinen Steuerpolitik liegt ein Schlüssel zur Vermögensverteilung in Deutschland. Tendenziell wird in Deutschland Arbeitsleistung gegenüber Kapitalerträgen übermäßig belastet. Dadurch wird die Vermögensbildung erschwert. Hier sollte ab einer entsprechenden Vermögenshöhe eine Vermögenssteuer greifen. Im internationalen Vergleich ist die Besteuerung von Vermögen und Kapitalerträgen in Deutschland deutlich zu niedrig. Auch diese Wiedereinführung scheitert bisher an den politischen Konstellationen.

Bereits angekündigt, allerdings mit einem relativ langen Zeithorizont, ist eine Reform der Einkommenssteuer. Die bisherige Steuerklasseneinteilung befördert eine ungleiche Vermögensverteilung zwischen Lebens- oder Ehepartnern, die überproportional häufig Frauen benachteiligt. In diesem Zusammenhang muss auch betont werden, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter deutlich verbessert werden muss.

Neben diesen, auch medial oft diskutierten Punkten, gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die die Vermögensbildung und -verteilung in Deutschland beeinflussen. So ist etwa die Frage des Immobilieneigentums ein wichtiger Vermögensbaustein, wie Sie richtigerweise betonen. In vielen Regionen Deutschlands stellen Erwerb oder Bau einer Immobilie für viele Menschen keine darstellbare Möglichkeit dar, trotz entsprechender Fördermaßnahmen (Prämien, KfW-Kredite etc.). Die Immobilienpreise selbst sind nur begrenzt staatlich beeinflussbar, allerdings sollten entsprechende Maßnahmen sicher in Betracht gezogen werden (dies sind meist aber Regelungen, die auf kommunaler Ebene oder in Verantwortlichkeit der einzelnen Länder liegen.) Damit eine Immobilie eine realistische Möglichkeit ist, muss erst einmal ein Grundvermögen gebildet werden (können). 

Auch die Möglichkeit und Fähigkeit zur Teilnahme am Kapitalmarkt ist in Deutschland noch unterentwickelt. Bei der Frage der steuerlichen Förderung in diesem Bereich muss sorgfältig geprüft werden, ob diese Schritte dann tatsächlich kleineren Vermögen helfen oder vor allem dem 1%.

Auch regionale Unterschiede spielen eine Rolle. Die Förderung und Aufrechterhaltung gleicher Lebensverhältnisse im ganzen Land muss durch gezielte Investitionen in Bildung und Infrastruktur sichergestellt werden.

All diese Punkte müssen weiterhin Kernbereich einer an Gerechtigkeit orientierten Politik sein. Nur so sind dauerhaft sozialer Frieden, unser Wohlstand und wirtschaftliche Stabilität zu sichern. Wie Sie sehen, laufen Sie bei der SPD offene Türen ein, wenn es darum geht all diese Punkte zu reformieren. Dafür werden aber entsprechende Mehrheiten benötigt. Bisher scheitern die nötigen weitreichenden Reformen in vielen Themenfeldern an den Parteien, die eine sehr wohlhabende Klientel bedienen. 

Mit freundlichen Grüßen

Dagmar Andres MdB

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Dagmar Andres
Dagmar Andres
SPD