Frage an Claudia Tausend von Rudolf B. bezüglich Verbraucherschutz
Gut – sauber – fair:
Fragen an die Kandidaten der politischen Parteien zur Bundestagswahl
am 27. September 2009
Mitglieder und Unterstützer von Slow Food München hätten gern Ihre Meinung als Kandidat/in gehöhrt zu folgenden Fragen:
• Unterstützen Sie die Einrichtung gentechnikfreier Regionen und setzen Sie sich ein für die Respektierung und Verwirklichung der Forderungen des überwiegenden Teils der deutschen Bevölkerung nach gentechnikfreier Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion?
• Wie wollen Sie traditionelles, regionales Lebensmittelhandwerk (z. B: Metzger- und Bäckerhandwerk) in Deutschland und Europa fördern und stärken?
• Sollten Subventionen in der Landwirtschaft künftig nur noch an die Einhaltung von Umwelt- und Tierschutzrichtlinien sowie den Landschaftsschutz gebunden sein?
• Sollten Erzeuger von alten, aber weniger ertragreichen Nutzpflanzensorten und Nutztierarten auch öffentliche Fördermittel erhalten?
• Sollten auch in Deutschland bei Erzeugern, Verarbeitern und Händlern von Lebensmitteln sowie in der Gastronomie faire Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen gelten?
• Sollte das Fach Geschmackserziehung und Esskultur in den Elementarunterricht verpflichtend in die Lehrpläne der Länder aufgenommen werden?
• Und zum Schluss eine persönliche Frage: Worauf achten Sie beim Lebensmitteleinkauf und bei der täglichen Ernährung? Welchen Wert hat bei Ihnen der Genuss?
Über Ihre Antwort auf der Seite www.abgeordnetenwatch.de und auch an muenchen@slowfood.de freuen wir uns. Ihre Antworten werden wir gern auf unserer Homepage veröffentlichen.
Sehr geehrter Herr Böhler,
Sie haben als Mitglied der Organisation Slow Food München sieben Fragen gestellt, die ich wie folgt beantworten möchte:
1) Unterstützen Sie die Einrichtung gentechnikfreier Regionen und setzen Sie sich ein für die Respektierung und Verwirklichung der Forderungen des überwiegenden Teils der deutschen Bevölkerung nach gentechnikfreier Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion?
Antwort:
Grüne Gentechnik und Lebensmittelqualität sind ein Widerspruch per se. Deshalb lehne ich genmanipulierte Lebensmittel ab. Etwa 80 Prozent der Verbraucher in Deutschland wollen keine gentechnisch veränderten Lebensmittel. Die Position der SPD ist hier eindeutig. Wir wollen, dass nur gentechnikfreie Lebensmittel erzeugt werden, denn die negativen Folgen der Gentechnik sind für Natur und Mensch noch gar nicht absehbar. Erbgutschäden und die Bedrohung der Artenvielfalt durch Gentechnik sind ein zu hoher Preis.
Mit genmanipulierten Pflanzen machen lediglich die internationalen Saatgutkonzerne das große Geschäft. Kleine und mittlere Landwirtschaftsbetriebe und Ökobauern bleiben auf der Strecke. Allein in Bayern haben sich über 30.000 Bauern dazu verpflichtet, auf Gentechnik zu verzichten. Damit der Kunde auch weiß, was in den Lebensmitteln stecktund sie gentechnikfrei erzeugt sind, ist eine vollständige Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln notwendig. Die sogenannte Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln ist ein guter Vorschlag. Ich trete auch für gentechnikfreie Zonen in Deutschland ein. Auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene muss sich die Politik dafür einsetzen, dass auf den Feldern nur natürlich gewachsene Pflanzen angebaut werden. Hierfür ist zunächst eine Änderung des EU-Rechts erforderlich, die eine verbindliche Einrichtung gentechnikfreier Regionen in Europa ermöglicht.
2) Wie wollen Sie traditionelles, regionales Lebensmittelhandwerk (z. B:Metzger und Bäckerhandwerk) in Deutschland und Europa fördern und stärken?
Antwort:
Durch einen Mix an verschiedenen Maßnahmen. Die EU aber auch Bund und Land haben verschiedene Förderprogramme zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur aufgelegt. Viele kleinere und mittlere Brauereien in Bayern ließen sich zum Beispiel durch eine Steuerentlastung retten. Auch durch gezielte Mittelstandförderung können kleine Handwerksbetriebe am Leben erhalten werden. Es existiert außerdem eineEU-Verordnung zum Schutz von regionalen Qualitätserzeugnissen. Das sogenannte Aufwertungs- und Schutzsystem für regionale Erzeugnisse in der EU mit den drei Labels ?Garantiert traditionelle Spezialität?, ?Geschützte geografische Angabe? und ?Geschützte Ursprungsbezeichnung? bieten dem Verbraucher eine bessere Orientierung und er kann daran seine Kaufentscheidung ausrichten. Mittlerweile gibt es eine große Anzahl von Bio- und Ökolabels, auch mit Angaben zur geografischen Herkunft von Erzeugnissen, (Beispiel: Münchner Weisswurst, Frankenwein, Parmesan etc.) welche eine Aussage über die Qualität und Einzigartigkeit der Lebensmittel machen und für das traditionelle Lebensmittelhandwerk werben. Außerdem ist ein Bewusstseinswandel bei vielen Konsumenten notwendig. Im Gegensatz zu anderen EU-Ländern machen viele Deutsche ihre Kaufentscheidung bei Lebensmitteln in erster Linie vom Preis abhängig.Für den einzelnen Konsumenten ist ein mehr an Aufklärung unabdingbar. Die Betriebe können sich außerdem durch verbessertes Marketing und Zusammenschlüsse zu Anbieter- und Erzeugergemeinschaftenbesser positionieren. Die Direktvermarkter sind hierfür ein Vorbild. Selbst große Supermärkte bieten mittlerweile Produkte von Handwerksbetrieben aus der Region feil. Durch das Einkaufen auf den vielenkleinen Wochenmärkten werden regionale Anbieter ebenfalls unterstützt.
Letztendlich hat es also der Verbraucher in der Hand, dass Traditionsbetriebe im harten Wettbewerb gegenüber Großbetrieben, die industrielle Lebensmittel fertigen, bestehen bleiben. Das Vertrauen zum Bäcker oder Metzger von nebenan ist um ein Vielfaches größer und Qualität ist der beste Garant für zufriedene Kunden.
3) Sollten Subventionen in der Landwirtschaft künftig nur noch an die Einhaltung von Umwelt- und Tierschutzrichtlinien sowie den Landschaftsschutz gebunden sein?
Antwort:
Hier kann ich nicht pauschal zustimmen, denn bei solch einer Praxis würde die Handlungsfähigkeit des Gesetzgebers zu sehr eingeschränkt. Vielmehr sollte von Fall zu Fall entschieden werden. Bei der Subventionierung der Milchbauern zum Beispiel, spielen auch andere Kriterien eineRolle. Es gilt allerdings, die bestehenden Umweltstandards in der EU zu verteidigen und weiter auszubauen. Beim Tierschutz sehe ich ebenfalls noch erhebliches Verbesserungspotential. Bei Tiertransporten quer durch Europa und bei der Tieryhaltung in Mastbetrieben sehe ich dringenden Handlungsbedarf. Landwirte haben auch eine wichtige Aufgabe im Landschaftsschutz.Dank staatlicher Anreize erwächst für sie die Pflicht, zum Erhalt unserer Kulturlandschaft aktiv beizutragen.
4) Sollten Erzeuger von alten, aber weniger ertragreichen Nutzpflanzensorten und Nutztierarten auch öffentliche Fördermittel erhalten?
Antwort:
Es wäre zu wünschen, dass jede alte Nutzpflanzensorte bzw. -tierart durch öffentliche Förderung erhalten werden kann. Bevor Subventionen fließen, muss aber natürlich jeder Einzelfall geprüft werden. Viele alte Sorten unterscheiden sich in Geschmack und Qualität deutlich vom faden Einheitsgeschmack der Massenware und gerade der Biolandwirtschaft kommt hier eine Schlüsselfunktion zu. Die Vielfalt alter Nutzpflanzensorten und Nutztierarten, wie etwa die Kartoffelsorte Linda und die Heidschnucke, ist unbedingt zu erhalten. Deshalb solltenÖkobauern gegenüber der konventionellen Landwirtschaft nicht länger benachteiligt werden und in den Genuss von Subventionen kommen. Nur so kann die Marktmacht international agierender Saatgutkonzerne und der großen Massentierhalter eingedämmt werden.
Die Wiederansiedlung vom Aussterben bedrohter Tiere und Haustierrassen wie dem Urrind ist außerdem eine Bereicherung für unsere Kulturlandschaft.
5) Sollten auch in Deutschland bei Erzeugern, Verarbeitern und Händlern von Lebensmitteln sowie in der Gastronomie faire Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen gelten?
Antwort.
Ja, unbedingt. Die Forderung der SPD nach Mindestlöhnen, auch bei Erntehelfern und in der Gastronomie, ist der richtige Schritt. Verbraucher honorieren es, wenn Anbieter unter fairen Bedingungen ihre Waren produzieren und vermarkten und zahlen sogar gerne hierfür einen Aufpreis. Wir brauchen auch eine effektive Lebensmittelüberwachung, die neben der Hygiene ebenso die Arbeitsbedingungen kontrolliert. Gewerbeaufsichtsämter, Zollbehörden und staatliche Veterinäre müssen deshalb mit einer angemessenen Personalausstattung versehen werden. Hungerlöhne für Erntehelfer und Lohndumping an deutschen Schlachthöfen sind ein unhaltbarer Zustand. Diese Auswüchse darf es nicht länger geben. Zahlreiche Bio- und Ökolabels (Beispiel: Fair-Trade Produkte) signalisieren zudem dem Verbraucher, dass es bei den Produktionsbedingungen human und gerecht zugegangen ist. Spargel mit Schinken, den man ohne schlechtes Gewissen genießen kann, schmeckt gleich umso besser.
6) Sollte das Fach Geschmackserziehung und Esskultur in den Elementarunterricht verpflichtend in die Lehrpläne der Länder aufgenommen werden?
Antwort:
Als eigenes Schulfach wird sich Esskultur aufgrund der Stofffülle sicher nicht etablieren, aber als fächerübergreifendes Querschnittthema ?Gesunde Ernährung? lässt es sich hervorragend in den Lehrplan integrieren. Ansatzpunkte sehe ich etwa im Fach Biologie, wo Ernährungsberatung richtig aufgehoben ist. Und im Deutsch- und Fremdsprachenunterricht lässt sich die Esskultur anderer Länder und Regionen anschaulich vermitteln. Auch im Fach Hauswirtschaftslehre oder Sachkunde in der Grundschule gibt es heute bereits Kochkurse. Ganztagsschulen bieten dabei für den Unterricht natürlich viel mehr Spielraum. Zudem könnte man ?Gesunde Ernährung? auch als Wahlpflichtfach zusätzlich anbieten.
7) Und zum Schluss eine persönliche Frage: Worauf achten Sie beim Lebensmitteleinkauf und bei der täglichen Ernährung? Welchen Werthat bei Ihnen der Genuss?
Antwort:
Ich achte beim Einkauf auf Qualität, Frische und faire Produktionsbedingungen und schätze es, am Wochenmarkt einzukaufen. Nichtsdestotrotz esse ich hin und wieder aber auch gerne mal eine Pizza. Bedenklich ist es aber, wenn Jugendliche sich ausschließlich von Fast-Food ernähren und gar nicht mehr wissen, wie frisches Obst schmeckt. Die Slowfood-Bewegung im italienischen Piemont entstanden als Gegengewicht zur Fastfood-Kultur und mittlerweile weltweit vertreten, verfolgt mit ihrem Eintreten für gesunde und schmackhafte Nahrung hier einen guten Ansatz.
Der Genuss und speziell die kulinarischen Genüsse kommen bei mir nicht zu kurz. Ich esse und koche gerne. Gutes Essen und Trinken stehen schließlich für ein Stück Lebensfreude. Und freudige Menschen sind entspannter und sympathischer. Gerade in der Region München mitihrer hohen Kaufkraft haben wir sehr verantwortungsbewusste Verbraucher für die der Genuss einen hohen Stellenwert hat und die auf eine gesunde Lebenshaltung sowie ausgewogene Ernährung achten.
Die Dichte an Bioläden dürfte nirgends so groß sein wie in unserer Region. Gesunde Ernährung darf aber nicht allein vom Geldbeutel abhängen. Bio ist nicht gleich teuer. Darum ist es zu begrüßen, dass mittlerweile auch Discounter Lebensmittel aus ökologischem Landbauanbieten. Wir Sozialdemokraten setzen uns deshalb auch für ein gehaltvolles, kostenloses Mittagessen für jeden bayerischen Schülerein und fordern einen besseren Verbraucherschutz. Lebensmittelskandale wie BSE und Gammelfleisch in der Kühltheke dürfen sich nicht wiederholen.
mit herzlichen Grüßen,
Claudia Tausend