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Clara Bünger
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Frage von Nadine Z. •

Wie wollen Sie Kinder vor dem gewalttätigen Elternteil schützen im Kontext häuslicher Gewalt und im Hinblick auf das Umgangsrecht ?

Sehr geehrte Frau Bünger,

Gewaltschutzorganisationen fordern, dass es kein Umgangsrecht für gewalttätige Väter geben darf.

https://www.notruf-koeln.de/wp-content/uploads/2023/11/Stellungnahme-Kein-Umgangsrecht-fuer-gewaltaetige-Vaeter-Gewaltschutz-konsequent-umsetzen.pdf

Sehen Sie hier in der Funktion als Opposition dringenden Handlungsbedarf ? Was sind Ihre diesbezüglichen Forderungen im Hinblick auf das Umgangsrecht im Kontext häuslicher Gewalt, aber auch bei anderen Formen von Kindeswohlgefährdung ? Wo sehen Sie hier Einflussmöglichkeiten auf die Ampel-Politik ? Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.

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Sehr geehrte Frau Z.

vielen Dank für Ihre Frage. 

Häusliche Gewalt ist ein sehr schwerwiegendes Problem und sensibles Thema. Sowohl für die Betroffenen selbst als auch in Bezug auf das Sorge- und Umgangsrecht, wenn Kinder involviert sind. Kinder gehören zu den vulnerabelsten Gruppen der Gesellschaft und bedürfen eines besonderen Schutzes.

Frauen werden bei häuslicher Gewalt, die in den meisten Fällen von Männern ausgeht, nur unzureichend geschützt: Es fehlen bundesweit zigtausende Frauenhausplätze, viele Opfer bekommen keine Hilfe oder sie kommt schlicht zu spät. Dies liegt leider unter anderen an der fehlenden Kooperation zwischen den entscheidenden Stellen (Polizei, Behörden, Beratungsstellen, Gerichte, Forensik). Im schlimmsten Fall endet die Gewalt sogar tödlich. Fast jeden zweiten Tag stirbt eine Frau, weil sie von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet wird. Das ist leider bittere Realität in Deutschland. Femizide sind ein gesamtgesellschaftliches Problem. Nicht selten sind dabei Kinder im Spiel. 

Das Umgangsrecht stellt daher für viele Mütter eine Lebensgefahr dar. Umgangskontakte geben dem gewalttätigen Elternteil Möglichkeiten, die Ex-Partnerin, auch über das Kind, weiterhin zu kontrollieren und Gewalt auf sie auszuüben. Für viele Frauen ist dieses Umgangsrecht daher mit einem hohen Risiko verknüpft. Eine Trennung beendet die häusliche Gewalt somit nicht automatisch. Gerade die Trennungsphase kann für Frauen sehr gefährlich werden. Konflikte können eskalieren, Übergriffe noch gewaltsamer enden usw. 

Leider wird Müttern oft im Sorgerechtsstreit geraten, die erlebte Gewalt zu verschweigen, da sie ihnen sonst nachteilig ausgelegt werden kann oder Schutzanordnungen nach dem GewaltschutzG, die möglich wären, werden eingeschränkt angewendet.

In vielen Fällen wird in Deutschland dem Umgangsrecht des Vaters der Vorzug vor dem Gewaltschutz von Mutter und Kind gegeben. Die vorausgegangene, fortgesetzte oder weiterwirkende Gewalt findet oft keine Berücksichtigung.

Die Pläne der Bundesregierung, das Kindschaftsrecht zu modernisieren und an die heutigen Lebensrealitäten von Familien anzupassen, insbesondere die Vorschläge des Justizministeriums für einen besseren Schutz vor Partnergewalt in Familien auch nach einer Trennung, sind daher dringend erforderlich und deshalb begrüßenswert.

Wir als Linke halten einen eigenständigen Schutzanspruch des gewaltbetroffenen Elternteils (meist der Frau), der nicht mehr über den Schutz des Kindeswohls abgleitet werden muss, für einen effektiven Gewaltschutz für zwingend erforderlich.

Die seit 6 Jahren in Deutschland geltende Istanbul-Konvention muss endlich in Deutschland umgesetzt werden. Der Gewaltschutz darf nicht hinter dem Umgangs- und Sorgerecht des gewaltausübenden Elternteils zurücktreten, und die Sicherheit der Betroffenen und der Kinder ist stets zu gewährleisten. So sieht es insbesondere Artikel 31 der Istanbul-Konvention vor. 

Bei der reformierten Umgangsregelung muss außerdem klargestellt werden, dass in Fällen von Partnergewalt nicht von der Kindeswohldienlichkeit des Umgangs mit dem gewaltausübenden Elternteil ausgegangen werden kann. 

Daneben müssen Frauenhäuser aus unserer Sicht eine bedarfsgerechte Finanzierung durch den Bund sowie ausreichende Plätze und Personal erhalten. Die zuständigen Stellen (Polizei, Behörden, Beratungsstellen) müssen miteinander kooperieren und die Gefahren der von Gewalt betroffenen Frauen ernst nehmen.

Wichtig ist zudem, Familiengerichte, Behörden und andere beteiligte Stellen für das Thema häusliche Gewalt zu sensibilisieren und zu qualifizieren, etwa mit Fortbildungen für die Richterschaft an Familiengerichten. Generell muss auch in der Öffentlichkeit mehr über häusliche Gewalt aufgeklärt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Clara Bünger

 

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