Frage an Christos Pantazis von Per G. bezüglich Jugend
Thema: Kinderarmut in Braunschweig
Sehr geehrter Herr Pantazis,
wie Sie sicher auch schon der Presse entnommen haben, kümmert sich Herr Armin Kraft
(ehemaliger Propst von St. Blasii, Domgemeinde in Braunschweig) seit seiner Pensionierung 2006
um die Kinderarmut (Presseartikel, z. B. neue Braunschweiger vom 18.07.2012 mit Zahlenverteilung in den einzelnen Stadtteilen in Braunschweig für das Jahr 2010). Die Prozentsätze sind rund 40 % in der Weststadt, ca. 20 % im Osten und im Süden und ca. 10 % im Norden von Braunschweig.
Bis jetzt ist es wie eine Bürgerinitiative nur für Braunschweig!
Wie kümmert sich nun die jetzigen Landesregierung um dieses Thema Kinderarmut, die es ja seit 2003 (Einführung von Hartz IV) wahrscheinlich auch in Städten wie Oldenburg, Osnabrück, Hannover, usw. gibt. Welche Konzepte und Pläne gibt es?
In dieser Sache richtete ich schon eine Anfrage an Herrn Bachmann (MdL) am 12.02.2013 und an Herrn Weil (MdL und Ministerpräsident) am 1.03.2013. Leider erhielt ich bis dato noch keine Antworten von beiden.
Über baldige Antworten freue ich mich.
Freundliche Grüße aus Braunschweig
Per Grunenberg
Sehr geehrter Herr Grunenberg,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich der Thematik „Kinderarmut“ und die Strategie ihrer Bekämpfung seitens der neuen Niedersächsischen Landesregierung. Das von Ihnen erwähnte Beispiel des persönlichen Einsatzes in Person des ehemaligen Probstes von St. Blasii, Herrn Kraft, ist beispielhaft und ich zolle diesem Engagement höchste Anerkennung!
Was die politische Dimension der Thematik „Armut“ betrifft, stellt sie ein Schwerpunkt im Handeln der neuen Regierung - vor allem In den Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Hochschul-, Sozial-, Kinder- und Familienpolitik - ein. In der zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen getroffenen Koalitionsvereinbarung „Erneuerung und Zusammenhalt“ begreift die neue Regierung unter Stephan Weil, dass „Armut […] eines der größten Zukunftsrisiken für die Gesellschaft“ ist. So hat sich in den vergangenen 10 Jahren der CDU/FDP-Landesregierung die Spaltung des Landes vertieft - und zwar horizontal und vertikal. Wie Sie bereits richtig angemerkt haben, drohen ganze Gruppen und Regionen abgehängt zu werden.
Wir sehen es als ein Skandal an, dass viele erwerbstätige Menschen nicht von ihrem Einkommen leben können. Lag 2003 die Armutsgefährdungsquote in Niedersachsen noch bei 13,7 Prozent, stieg sie 2011 - während einer konjunkturellen Hochphase - auf 15,7 Prozent. Sie liegt damit weit über dem westdeutschen Durchschnitt. Vor allem die Bekämpfung der zunehmenden Kinder- und Familienarmut ist eine große Herausforderung. Die Entscheidung für ein Leben mit Kindern darf nicht länger gleichbedeutend mit erhöhtem Armutsrisiko sein. Aber auch der Situation von Alleinerziehenden, Zuwanderinnen und Zuwanderern mit unsicherem Aufenthaltsstatus oder nicht anerkanntem Berufsabschluss muss ein besonderes Augenmerk gelten.
Ich bin der festen Überzeugung, dass fair entlohnte, sichere und auskömmliche Arbeit das beste Mittel gegen Armut ist. Aber auch denjenigen, die selbst bei einer positiven Konjunkturentwicklung keine Chance am ersten Arbeitsmarkt haben, ist Teilhabe zu ermöglichen. Für die rot-grüne Koalition ist es deshalb notwendig, einen verlässlichen Sozialen Arbeitsmarkt zu schaffen. Voraussetzung dafür ist die Möglichkeit des Transfers von Passivleistungen zu Aktivleistungen im Sozialgesetzbuch II. Sollte dies nach der nächsten Bundestagswahl nicht realisiert werden können, wird die rotgrüne Koalition ein eigenständiges Landesprogramm zum Sozialen Arbeitsmarkt auflegen.
Als konkrete Maßgaben der laufenden Legislaturperiode hat sich die rot-grüne Koalition vorgenommen folgende Punkte anzugehen:
- gegenüber dem Bund auf die Korrektur der SGB II-Instrumentenreform drängen, um auch die Arbeit der Jugendwerkstätten dauerhaft zu sichern.
- die Arbeit der Pro-Aktiv-Center fortsetzen.
- die Armutsberichterstattung des Landes zu einer qualifizierten Sozialberichterstattung weiterentwickeln, um die Instrumente der Förderung, Unterstützung und Beratung zielgenauer einsetzen zu können.
- mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds Programme zur Qualifizierung und Beschäftigungsförderung Jugendlicher, Langzeitarbeitsloser und zur Arbeitsförderung von Menschen mit Behinderungen, die mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert werden, fortführen und stärken.
- unabhängige Beratungsstellen freier Träger und Initiativen sind notwendige Ergänzungen öffentlicher Beratungsstrukturen für arbeitslose Menschen.
Darüber hinaus wird die rot-grüne Koalition Initiativen zu folgenden Themen in den Bundesrat einbringen:
- Weiterentwicklung der auf zahlreiche unterschiedliche Fördertöpfe verteilten Familienunterstützungsleistungen zu einer „Grundsicherung“ für Kinder.
- Ermittlung individueller und bedarfsdeckender Kinderregelsätze nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Auch die einzelnen Leistungen des so genannten Bildungs- und Teilhabepakets sollen realitätsgerecht ermittelt und über den Regelbedarf wie auch über Investitionen in die Bildungs- und Teilhabeinfrastruktur abgegolten werden.
Ermittlung bedarfsgerechter, verfassungsgemäßer Regelsätze für Erwachsene und Prüfung eines Moratoriums bei ALG II-Sanktionen.
Sehr geehrter Herr G., ich hoffe Ihnen mit der Auflistung unseres Maßnahmenkatalogs als auch der Bundesratsinitiativen weitergeholfen zu haben und verbleibe
Mit besten Grüßen
Herzlichst
Ihr
C. Pantazis