Warum halten Sie es für notwendig, dass Menschen das Recht haben sollen, ihren Geschlechtseintrag jährlich zu wechseln ?
Sehr geehrter Herr Schmid,
Ihr Kollege Bernd Rützel hat mich mit meiner Frage auf abgeordnetenwatch.de vom 04.06.23 an Sie verwiesen. Hier kommt meine Fragestellung: Transmenschen haben ein ernsthaftes Interesse ihren Geschlechtseintrag entsprechend und dauerhaft abzuändern, weil sie sich mit ihrem bisherig zugewiesenen Geschlecht nicht identifizieren können. Warum soll dann jeder laut Gesetzentwurf des Selbstbestimmungsgesetzes das Recht haben sein Geschlecht jährlich zu wechseln und warum erstreckt sich dieses Recht auch auf Nicht-Transsexuelle ?
Sehr geehrte Frau Z.
vielen Dank für Ihre Zuschrift nun auch über Abgeordnetenwatch. Ich meinem Schreiben vom 8. Mai 2023 habe ich Ihnen bereits den damaligen Stand zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz erläutert. Inzwischen liegt der Gesetzesentwurf vor.
Selbstbestimmt leben zu können, ist fundamental für alle Menschen. Das Grundgesetz garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Achtung der Privatsphäre und die Nichtdiskriminierung. Das deutsche Personenstandsrecht kennt die Kategorien/Einträge „Weiblich“, „Männlich“, offen – und seit dem wegweisenden Verfassungsgerichtsurteil zur Dritten Option auch „Divers“. Beim geplanten Selbstbestimmungsgesetz geht es einzig und allein um die Frage der Änderung dieses Eintrags sowie um die Änderung der Vornamen. Wenn eine Person neben oder unabhängig von der Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen auch körperliche Veränderungen anstrebt, sind wie bisher ausschließlich medizinische Regelungen und Leitlinien einschlägig.
Im Gesetzesentwurf wird daher in §2 formuliert: "Jede Person, deren Geschlechtsidentität von ihrem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister abweicht, kann gegenüber dem Standesamt nach Maßgabe des § 45b des Personenstandsgesetzes erklären, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem deutschen Personenstandseintrag geändert werden soll, indem sie durch eine andere der in § 22 Absatz 3 des Personenstandsgesetzes vorgesehenen Angaben ersetzt oder gestrichen wird."
Im geplanten Gesetz soll eine dreimonatige Bedenkzeit verankert werden, bis die Änderung des Geschlechtseintrags und Vornamens in Kraft tritt. Danach tritt eine Sperrfrist von einem Jahr in Kraft, um die Änderungen rückgängig zu machen. Damit soll ein Missbrauch verhindert werden. Ein Missbrauch von Selbstbestimmungsgesetzen lässt sich übrigens weltweit in keinem Land mit einer vergleichbaren Regelung beobachten: Argentinien, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Uruguay und die Schweiz haben bereits (zum Teil seit zehn Jahren) ähnliche, niedrigschwellige Regelungen zur Änderung des Geschlechtseintrags. In diesen Ländern sind keine Fälle bekannt, dass Personen die Regelungen aus anderen Gründen nutzen, als um die Geschlechtsidentität mit dem Geschlechtseintrag in Einklang zu bringen.
Da mit einer Änderung des Geschlechtseintrags oftmals Diskriminierung und Anfeindungen einhergehen, ist ein Coming-out als transgeschlechtlich und eine dementsprechende Änderung des Geschlechtseintrags in der Regel eine wohlüberlegte Entscheidung. Zudem bedeutet die Anpassung sämtlicher persönlicher Dokumente (zum Beispiel Zeugnisse, Führerscheine, EC- oder Versicherungskarten) einen enormen zeitlichen, finanziellen und mühseligen Aufwand. Ziel des Gesetzes ist es, die Regelungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen bei Auseinanderfallen des Geschlechtseintrags und der Geschlechtsidentität zu vereinfachen.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Schmid, MdB