Frage an Christoph de Vries von Norbert R. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr de Vries,
die amtierende Bundeskanzlerin Merkel steht im Verdacht, gegen das Neutralitätsgebot verstoßen zu haben.
Zum Hintergrund: Das Thüringer Parlament wählte den FDP-Politiker Kemmerich demokratisch und ordnungsgemäß zum neuen Ministerpräsidenten, was die Bundeskanzlerin, die eine Korrektur der Wahl forderte, später bei einer Auslandsreise als „unverzeihlich“ bezeichnete.
Am 21. Juli wird in Karlsruhe vor dem BVerG über den Fall verhandelt. Pikant hierbei: Am 30. Juni war eine Delegation des Bundesverfassungsgerichts unter Leitung des Präsidenten Prof. Dr. Stephan Harbarth und der Vizepräsidentin Prof. Dr. Doris König einer Einladung der Bundeskanzlerin zum Abendessen gefolgt (https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus232427603/Merkel-und-ihre-Richter-Wie-war-das-noch-mal-mit-Unabhaengigkeit-der-Justiz.html).
Der Kompaß für die Wirtschaftssubjekte sind die Regeln des Antikorruptionsgesetzes. Es definiert u. a. Fälle von passiver Einflußnahme im Umgang mit Amtsträgern, wovon auch Beamte und Richter betroffen sind. Um zu verhindern, daß sich jemand unrechtmäßig Vorteile verschafft, sanktioniert das Strafgesetzbuch zudem passive Bestechung.
Meine Fragen dazu:
Kann der Zweite Senat des BVerGerichts überhaupt noch neutral und objektiv über den Fall urteilen oder sehen Sie einen Anfangsverdacht, daß die betroffenen Richter befangen sein könnten? Beschädigt der Vorgang nicht die Gewaltenteilung im Allgemeinen und die involvierten Staatsorgane im Besonderen? Sollten gesetzgeberische Lehren aus dem Fall gezogen werden? Welches Vertrauen kann man in ein politisches System haben, wenn politische Eliten den Eindruck erwecken, sie stehen über dem Gesetz?
Mit freundlichen Grüßen
N. Rother
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Sehr geehrter Herr Rother,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage auf www.abgeordnetenwatch.de.
Bitte sehen Sie es mir nach, dass ich Fragen der Befangenheit von Verfassungsrichtern grundsätzlich nicht kommentiere, auch nicht in diesem Fall, da mir die Hintergründe und die üblichen Verfahrensweisen nicht bekannt sind.
Grundsätzlich sehe ich einen Dialog der Verfassungsorgane Bundesregierung, Bundesverfassungsgericht und Bundestag / Bundesrat aber als richtig und unproblematisch an.
Den konkreten Einzelfall kann ich jedoch nicht beurteilen.
Meines Wissens pflegt jedoch auch der Deutsche Bundestag den regelmäßigen Dialog mit dem Bundesverfassungsgericht auf der Grundlage wechselseitiger Einladungen.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph de Vries