Frage an Christoph de Vries von Sabine R. bezüglich Finanzen
Guten Abend,
Verlustverrechnung bei Termingeschäften nach § 20 Abs. 6 EstG:
Ich bin da gerade etwas sprachlos:
1.) Wie soll ich in Zukunft mein Depot zur Altersvorsorge absichern?
2.) Warum gilt dieses neue Gesetzt ausschließlich für Kleinanleger?
3.) Warum sind Banken Hedgefonds etc. von dem Gesetz ausgenommen?
4.) Ist dieser faule Kompromiss - Ihrer persönlichen Meinung nach - mit dem Grundgesetz vereinbar?
Durch das neue Gesetzt sieht es jetzt folgendermaßen aus:
Ein erfolgreicher Kleinspekulant handelt regelmäßig Hebelzertifikate, CFDs oder Optionen, Bonus- und konservative Discount- Zertifikate etc. Dass dabei auch eine gewisse Zahl an Verlust-Trades anfällt, liegt in der Natur der Sache. Hat er bislang auf das Gesamtjahr gerechnet 100.000 Euro Gewinn und 80.000 Euro Verlust gemacht, so hatte er 20.000 Euro zu versteuern, was einer Steuerlast von € 5.000.-- entsprach..
Nach der neuen Regelung werden allerdings 90.000 Euro umgehend vom Broker versteuert.
Die Steuerlast würde also € 22.500 EUR betragen, obwohl eigentlich nur 20.000 Gewinn gemacht wurden.
Der Anleger hätte somit sogar eine Art Nachschusspflicht gegenüber dem Staat von € 2.500.
Ich will nicht sagen, dass die Planer dieses Gesetztes keinen Verstand haben, nur sehe ich leider den Verstand nicht.
Lediglich 10.000 Euro seiner Verluste sind p.a. absetzbar. Die Steuer auf die Gewinne erfolgreichen Trades werden stets automatisch + sofort abgezogen – die Erstattung auf Verluste muss sich der Anleger gedeckelt auf € 10.000 p.a. jahrelang vom Fiskus zurückholen.
Ob klasssische Anlagezertifikate wie strukturierte Anleihen, Bonus- oder defensive Discountzertifikate unter die Definition eines „Termingeschäfts“ im Sinne der neuen Regelung fallen, geht aus dem Gesetzestext nicht eindeutig hervor.
5.) Bitte teilen Sie mir auch genau mit, welche Papiere genau unter die Definition „Termingeschäfte“ im Sinne der neuen Regelung fallen und welche nicht, damit ich 2020 Planungssicherheit habe ?
MfG
Sabine Rögne
Sehr geehrte Frau Rögne,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die Berücksichtigung von Totalverlusten aus bestimmten privaten Kapitalanlagen wurde im Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2875) neu geregelt.
Die Regelung des § 20 EStG gilt nur für Privatanleger, d.h. für Steuerpflichtige, die ihr Depot im Privatvermögen haben. Daher betrifft die Regelung des § 20 EStG im Allgemeinen und die Neuregelung in §20 Absatz 6 damit nicht Anlageprodukte, die - wie bei Banken - im Betriebsvermögen gehalten werden.
Die neue Regelung des § 20 Absatz 6 Satz 5 EStG sieht vor, dass Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen, nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit Erträgen aus Stillhaltegeschäften ausgeglichen werden können. Dabei ist die Verlustverrechnung auf jährlich 10.000 Euro beschränkt. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 10.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Stillhalteprämien verrechnet werden. Die Verluste können nicht mit anderen Kapitalerträgen verrechnet werden. Die Regelung findet für Verluste aus Termingeschäften, die nach dem 31. Dezember 2020 eintreten, Anwendung.
Der besagte § 20 Abs. 6 EStG sollte bereits im Elektromobilitätsgesetz (JStG 2019) ergänzt werden, wurde aber dort nach wochenlangen zähen Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner SPD herausgenommen. Die SPD wollte im Rahmen des JStG 2019 sogar eine komplette Nichtberücksichtigung dieser Verluste: Bei den Termingeschäften sollte durch eine komplette gesetzliche Nichtberücksichtigung eines Optionsverfalls die bis 2016 geltende Finanzverwaltungspraxis gesetzlich manifestiert werden und die BFH-Rechtsprechung vom 12. Januar 2016 (BStBl. I 2017 II, S. 264) überschrieben werden. Danach wären Verluste dann in Gänze nicht anzuerkennen gewesen, wenn der Steuerpflichtige eine Option bei Fälligkeit verfallen lassen würde. Das konnten wir verhindern. Die jetzige Lösung ist ein Kompromiss: die Verluste werden anerkannt, aber nur bis zu einer Höhe von 10.000 Euro. Damit wollten wir zumindest die Kleinanleger davor schützen, einen Totalverlust durch beispielsweise einen Forderungsausfall komplett nicht geltend machen zu können.
Die Unionsfraktion spricht sich grundsätzlich gegen die Nichtberücksichtigung von Verlusten im Rahmen des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 EStG aus und hat in den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner auch entsprechend argumentiert: Wie wir auch schon nach dem Beschluss im Finanzausschuss öffentlich formuliert haben, halten wir eine vollständige Gleichbehandlung von Gewinnen und Verlusten - unabhängig davon, ob Totalverlust oder einfacher Verlust - weiterhin für sachgerecht. Wir mussten aber mit dem Koalitionspartner einen Kompromiss finden, dem wochenlange Verhandlungen vorausgegangen waren. Ansonsten hätte dieser möglicherweise alle weiteren, wichtigen Steuergesetze blockiert. Unser Koalitionspartner wollte Totalverluste steuerlich überhaupt nicht anerkennen und bestand zunächst rigoros auf einem Nichtanwendungsgesetz zur neuen BFH-Rechtsprechung.
Die Regelung ist dank der Hartnäckigkeit der Unionsfraktion aber zumindest besser als die bis 2016 bestehende Verwaltungsauffassung und auch besser als das Vorhaben des Bundesfinanzministers, die steuerliche Anerkennung von Totalverlusten vollständig auszuhebeln.
Wir werden die von Ihnen angeführten Argumente und Beispiele jedoch gerne aufnehmen und nochmal auf unseren Koalitionspartner zugehen. Wie zuvor bereits beschrieben, gilt die Beschränkung bei Termingeschäften und Optionsgeschäften erst nach dem 31.12.2020. Damit haben wir noch etwas Zeit für neue Verhandlungen. Wir hoffen, dass wir auch mit Ihren Argumenten den Koalitionspartner nochmal umstimmen können
Mit freundlichen Grüßen
Christoph de Vries