Frage an Christoph de Vries von Eike Bengt N. bezüglich Finanzen
Guten Tag Herr de Vries!
In den letzten Tagen habe ich in der Presse gelesen, dass die Bundesregierung die Initiative der EU-Kommission zu mehr Transparenz bei der Steuerpolitik nicht unterstützt. ( https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/steuertransparenz-eu-country-by-country-reporting-1.4339940 )
Konkret geht es um das country-by-country-reporting, nach welchem Konzerne anhand bestimmter Kriterien über ihre Gewinne, Umsätze und Steuerzahlungen länderspezifisch berichten. So weit so gut, einen Austausch zwischen Konzernen und Steuerverwaltungen über diese Infos gibt es auch in Deutschland.
Was spricht aber dagegen, das auch öffentlich zu fordern? Also ein public contry-by-country reporting zu unterstützen?
Meines Erachtens ist es in Zeiten von regelmäßigen Skandalen à la LuxLeaks, PanamaPapers etc. höchste Zeit, für mehr Transparenz in der europäischen Steuerpolitik zu sorgen. Es geht mir dabei nicht ausschließlich um Steuergerechtigkeit, sondern besonders auch um den Zusammenhalt in der Gesellschaft und ein höheres Vertrauen in unsere europäischen Institutionen.
Wäre es nicht ein wertvolles Zeichen, ehrlichen europäischen Steuerzahler*innen zu zeigen, dass die EU in einer transparenten und nachvollziehbaren Art und Weise Steuervermeidung bekämpft?
Und besteht zusätzlich nicht auch das Risiko, einen Keil zwischen Deutschlands und Frankreichs Zusammenarbeit in der EU (Frankreich unterstützt das public country-by-country-reporting) zu treiben und gleichzeitig in Steuerfragen auf einer Seite mit Ländern wie Luxemburg, Malta oder Irland zu stehen?
Sehr geehrte Frau N.,
herzlichen Dank für Ihre Frage auf www.abgeordnetenwatch.de .
Bitte entschuldigen Sie die verspätete Antwort, aber die Nachricht war zunächst im Spam-Ordner gelandet.
Ich kann Ihren Einsatz für mehr Transparenz in der Steuerpolitik und gegen Steuerpraktiken einiger Staaten und Unternehmen sehr gut nachvollziehen. Unsere Fraktion unterstützt deshalb maßgeblich verschiedene länderübergreifende Initiativen, die diesen Phänomenen entgegenwirken sollen.
All die ergriffenen Maßnahmen werden allerdings nicht dazu führen, dass „auf Knopfdruck“ sämtliche Steueroasen in der Welt verschwinden. Diese Staaten sind souverän. Wir haben daher nur eingeschränkte Möglichkeiten, auf sie einzuwirken.
Mit den ergriffenen bilateralen oder multilateralen Maßnahmen werden wir aber bei diesen Staaten dafür werben, den international anerkannten Standards für Transparenz zu folgen. Diesen Weg werden wir auch im Falle der immer wieder kritisierten US-Unternehmen gehen.
Was haben wir hier bereits im Einzelnen getan:
Automatischer Informationsaustausch
Wir befürworten Initiativen zum automatischen Informationsaustausch als neuen globalen Standard. Hier haben wir bereits konkrete Schritte erreicht.
Deutschland hat gemeinsam mit 50 anderen Staaten einen internationalen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden durch automatische Meldung von Finanzkonten im Ausland vereinbart. Inzwischen haben sich mehr als 100 Staaten dieser Vereinbarung angeschlossen.
OECD-Projekt: Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)
Als weiterer Baustein zur Bekämpfung aggressiver Steuerplanungen ist der Aktionsplan der OECD gegen Base Erosion an Profit Shifting (BEPS) hervorzuheben. Um eine solide Staatsfinanzierung zu sichern, Steuergerechtigkeit zu gewährleisten und mehr Wettbewerbsgleichheit zu schaffen, müssen die Staaten Maßnahmen gegen die aggressive Steuervermeidung internationaler Konzerne und den schädlichen Steuerwettbewerb verabreden.
Zur Bekämpfung von missbräuchlichen internationalen Steuergestaltungen hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Juni 2012 auf Initiative der G20 und unter maßgeblicher Beteiligung des deutschen Bundesfinanzministers dieses internationale Projekt beschlossen.
Durch die Vereinbarung von Mindeststandards und die Schaffung von mehr Transparenz wird es gelingen, schädlichen Steuerwettbewerb einzuschränken.
Insbesondere für Unternehmen wird es damit ungleich schwerer, sich einer zutreffenden Besteuerung in den einzelnen Staaten zu entziehen.
Tax Rulings transparent machen
Wir setzen uns ebenfalls dafür ein, den zwischenstaatlichen Informationsaustausch über Tax Rulings zu verbessern. Das Instrument der Rulings wurde genutzt, um die planvolle Ausnutzung von Besteuerungsdefiziten rechtlich abzusichern. In Deutschland werden verbindliche Auskünfte, bei denen die Erzielung von Steuervorteilen im Vordergrund steht, nicht erteilt.
Vor diesem Hintergrund wurde auf Bestrebungen der EU und der OECD vereinbart, solche Rulings transparent zu machen.
Ebenfalls erscheint grundsätzlich die Einführung einer Meldepflicht von Steuergestaltungsmodellen als erwägenswert, um aggressiven Steuergestaltungen durch eine frühzeitige Offenlegung entgegenzutreten. Die Einführung solcher Meldepflichten ist auch Bestandteil der o.g. BEPS-Initiative.
Aus unserer Sicht sind Tax Rulings nur dann mit dem Wettbewerbsgedanken vereinbar, wenn sie nicht bestimmte Unternehmen selektiv begünstigen, dadurch den Wettbewerb zu verfälschen drohen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.
Steuervereinbarungen als wettbewerbswidrige Beihilfe prüfen
Unternehmen können sich auch nicht mehr sicher sein, dass sie ihre errungenen Vorteile in vermeintlichen Steueroasen behalten können. Denn auch hier werden international Maßnahmen ergriffen, um die schädlichen Vorteile zu überprüfen. Die Europäische Kommission hat Beihilfeprüfungen aufgenommen, um die Vereinbarkeit dieser ausländischen Steuerkonstruktionen mit Unionsrecht zu überprüfen (zuletzt erst in dieser Woche gegenüber IKEA). Die Prüfungen sind hier aber noch nicht abgeschlossen.
Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle
Zudem führen wir bis zum Jahresende eine Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle ein. Darin werden insbesondere die Initiatoren solcher Modelle verpflichtet, diese gegenüber den Finanzbehörden offenzulegen. Damit sollte es den Finanzbehörden und ggf. auch dem Gesetzgeber möglich sein, hierauf zu reagieren und solche Modelle abzustellen.
In der Frage des von Ihnen angesprochenen öffentlichen, also public country by country reporting, spricht sich meine Fraktion gegen ein solches öffentliches Berichten aus:
Für uns ist vorrangig, dass sich möglichst viele Länder am Austausch von steuerlichen Unternehmensinformationen beteiligten. Außerdem habe man sich zur Vertraulichkeit solcher Steuerinformationen verpflichtet, und drittens habe man die sachgerechte Verwendung dieser Informationen zugesagt. Ein öffentliches (public) Country-by-Country-Reporting (pCbCR) würde diese drei Punkte konterkarieren. Der Anreiz von Drittstaaten, sich am Austausch zu beteiligen, würde verringert und die eigene Verhandlungsposition geschwächt.
Es bestünde die Gefahr, dass diese Daten von Konkurrenzunternehmen in Drittstaaten ausgewertet würden, um Rückschlüsse auf unternehmerische Tätigkeiten zu ziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph de Vries