Frage an Christine Schneider von Christina B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Schneider,
die aktuelle "Corona-Krise" offenbart in vielen Fällen, dass die Eu-Länder aufgrund "kaputtgesparter" Krankenhäuser über unzureichende Kapazitäten verfügen, um mit der Krise adäquat umzugehen. Auch in Deutschland ist die Situation nach Aussagen vieler Pflegefachkräften ungenügend. Vielfach stellt sich heraus, dass insbesondere die Privatisierung der Häuser, der Stellenabbau des Krankenhauspersonals, die eingeführte Fallpauschale und der Trend die Löhne immer schmäler zu gestalten, bzw. Kräfte aus anderen Ländern günstig einzustellen zu einer deutlichen Verschlimmerung der Situation führten.
Nun wird mittels Polizei und Bundeswehr versucht die Problematik einer medizinischen Krise durch drastische Freiheitseinschränkungen der Bürger anzugehen. Vor einigen Wochen hätte ich das heutige Geschehen noch als undenkbar abgetan. Was sich heute zeigt ist offensichtlich, es ist klar dass die Daseinsfürsorge wieder in die öffentliche Hand gehört, auch schon, damit zukünftig auch gutes und ausreichendes Fachpersonal eine Viren-Krise managt und nicht die Polizei. Mit einer guten Personaldecke und einem Einkommen, dass die systemrelevante Arbeit realistisch entlohnt und für junge Menschen der EU und in Deutschland eine Zukunftsperspektive bietet. Denn Überstunden und schlechte Bezahlung in einem hochverantwortlichen Bereich sind nicht mit Fortschritt oder Wachstum vereinbar. Wie sehen sie die aktuelle Lage? Ist die Beendigung des Krankenhausabbaus und eine Rückführung in die öffentliche Hand, eine Aufstockung des Personals und deren Gehälter eines der dringlichen Themen im EU-Parlament? Wie gedenkt man die Krise zu managen? Wie stehen sie zu den Privatisierungen im Gesundheitssystem?
In der Hoffnung, dass sie für meine Fragen etwas Zeit finden verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
C. Bauer
Sehr geehrte Frau Bauer,
ich möchte mich für Ihre Anfrage bedanken, die mich über abgeordnetenwatch.de erreicht hat.
Auch mich beschäftigen die von Ihnen aufgeworfenen Fragen.
Die Vorhaltung von Krankenhäusern ist ein wesentliches Element der Daseinsvorsorge, das grundgesetzlich verankert ist. Befürworter der Privatisierung öffentlicher Krankenhäuser leiten ihre Argumentationsketten im Wesentlichen vom Recht der Freiheit der persönlichen Entfaltung ab. Befürworter der öffentlichen Trägerschaft wiederum argumentieren aus dem Sozialstaatsprinzip heraus. Der Staat hat bei Entscheidungen zwischen diesen beiden Grundsätzen einen Spielraum. Seine Entscheidung zugunsten der Freiheit der persönlichen Entfaltung des Einzelnen ist dann nicht zu beanstanden, wenn eine andere Lösung durch das Sozialstaatsprinzip nicht unbedingt geboten ist (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts [BVerfGE] 18, 257/267).
Eine Privatisierung muss aus meiner Sicht auf jeden Fall untersagt werden, wenn wirtschaftliche Ziele durch eine ungebremste Privatisierung überbetont werden.
Für die Organisation der medizinischen Versorgung sind die Mitgliedstaaten alleine zuständig. Die EU-Gesundheitspolitik dient nur als Ergänzung der einzelstaatlichen Strategien. Auf europäischer Ebene streben wir an, Ressourcen zu bündeln und Herausforderungen wie Antibiotikaresistenzen gemeinsam anzugehen. Wir haben aber keinen Einfluss darauf, wie sie ihre Krankenhäuser organisieren müssen, welche Personaldecke es für Krankenhäuser braucht oder wie das Fachpersonal bezahlt werden sollte.
In der letzten Plenarabstimmung haben wir als europäisches Parlament ein Zeichen der Solidarität gesetzt. Wir haben 3 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt mobilisiert, um die Gesundheitswesen der Mitgliedstaaten bei der Bewältigung der Corona-Krise zu unterstützen. Die Aktivierung des Soforthilfeinstruments (ESI) wird es der EU-Kommission ermöglichen, dringend benötigte medizinische Schutzausrüstung und Geräte wie Masken und Beatmungsgeräte zu beschaffen und zu verteilen. Mit diesen Geldern werden auch der Transport von Patienten innerhalb der EU sowie der Bau mobiler Feldkrankenhäuser unterstützt. Für mich war das ein wichtiger Schritt und ein Zeichen europäischer Solidarität. Ich setzte mich auch dafür ein, dass wir Patienten aus anderen europäischen Ländern in Deutschland aufnehmen, um Länder zu unterstützen, die am stärksten von der Krise betroffen sind. Konkret bin ich hier in engem Austausch mit den Krankenhäusern und zuständigen Stellen in meinem Wahlkreis in der Südpfalz an der Grenze zu Frankreich.
Das medizinische Fach- und Pflegepersonal ist eine der tragenden Säulen im Kampf gegen Corona. Ich bin allen in diesem Bereich tätigen Menschen zutiefst für ihr Engagement dankbar und hoffe, dass nach der Krise viele bestehende Strukturen überdacht werden und den derzeit herrschenden Zuständen Abhilfe geschaffen werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Schneider