Frage an Christian Kühn von Eberhard S. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
1. Welche Schritte unternehmen Sie, um das soziale Menschenrecht auf angemessenen Wohnraum für alle als subjektives und gerichtlich durchsetzbares Recht zu verankern? Wäre es dafür nicht unverzichtbar das Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt zu unterzeichnen?
2. Erscheint es angesichts der negativen Entwicklung im sozialen Wohnungsbau unter Kompetenz der Länder und 2019 auslaufender Kompensationszahlungen nicht sinnvoll, dem Bund zukünftig wieder Mitwirkungsrechte in diesem Bereich zu sichern?
3. Wäre eine amtliche bundesweite Statistik zur Wohnungslosigkeit nicht ein wichtiges Hilfsmittel zur Bekämpfung ebendieser und gleichzeitig ein wichtiges Zeichen, dass die Politik das Thema Wohnungslosigkeit ernst bzw. überhaupt wahrnimmt?
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Fragen an mich. Anbei sende ich Ihnen meine Antworten.
1. Welche Schritte unternehmen Sie, um das soziale Menschenrecht auf angemessenen Wohnraum für alle als subjektives und gerichtlich durchsetzbares Recht zu verankern? Wäre es dafür nicht unverzichtbar das Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt zu unterzeichnen?
Es ist aus vielen Gründen unverzichtbar, das Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt zu unterzeichnen. Deshalb haben wir auch in einem Antrag die Bundesregierung aufgefordert, das Zusatzprotokoll zu ratifizieren ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/043/1804332.pdf ) . Leider hat die Große Koalition dies abgelehnt.
Dabei wird der Zusammenhalt unserer Gesellschaft auch an der Wohnungspolitik entscheiden. Wenn Familien und Menschen mit kleinen Einkommen keine angemessene Wohnung mehr finden, ist der soziale Zusammenhalt gefährdet. Rechtspopulisten triumphieren vor allem dort, wo Menschen sich abgehängt fühlen und Angst vor dem sozialen Abstieg haben. Auch deshalb müssen wir Wohnen wieder als Daseinsvorsorge begreifen. Die Zeit der Wohnungsprivatisierungen und Spekulationen muss endlich vorbei sein. Stattdessen brauchen wir einen Aufbruch beim sozialen Wohnungsbau. Mit meinem Konzept einer Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit will ich wieder Genossenschaften, kommunale Wohnungsunternehmen und private Investoren für den sozialen Wohnungsbau gewinnen. Steuerförderung im Tausch gegen langfristig günstigen Wohnraum ist das Prinzip der Wohnungsgemeinnützigkeit. Ein bewährtes Prinzip der sozialen Marktwirtschaft, das in Österreich, Dänemark und Holland bis heute gilt. Die Neue Wohnungsgemeinnützigkeit ist eine Form der solidarischen Ökonomie, bei der alle gewinnen. Was in Wien und Amsterdam gut funktioniert, kann auch in Stuttgart, Berlin oder Heidelberg gelingen.
2. Erscheint es angesichts der negativen Entwicklung im sozialen Wohnungsbau unter Kompetenz der Länder und 2019 auslaufender Kompensationszahlungen nicht sinnvoll, dem Bund zukünftig wieder Mitwirkungsrechte in diesem Bereich zu sichern?
Wir werben seit Jahren dafür, dass der Bund Kompetenzen im Bereich des sozialen Wohnungsbaus behält und schlagen dafür die neue Wohnungsgemeinnüzigkeit vor. Wir wollen diese alte und bewährte Tradition wieder mit Leben füllen. So können wir binnen der nächsten 10 Jahre 1 Million bezahlbarer Wohnungen erhalten oder neu schaffen. Momentan verlieren wir jedes Jahr mindestens 25.000 Sozialwohnungen.
Es wird für viele Bundesländer nicht leistbar sein, die Mittel für die soziale Wohnraumförderung in ihrer jetzigen Höhe über das Jahre 2019 weiterzuführen. Hinzukommt ab 2020 noch die Schuldenbremse. Daher muss der Bund weiter eine Zuständigkeit behalten. Ohne die Neue Wohnungsgemeinnützigkeit wäre dafür eine Grundgesetzänderung nötig. Gerade erst die Bund-Länder-Finanzen nach jahrelangen Verhandlungen neu geregelt und das Grundgesetz in 13 Punkten geändert worden - aber nicht im Punkt der Kompensationszahlungen. Daher denken wir, dass eine erfolgreiche Grundgesetzänderung binnen eines Jahres wenig aussichtsreich ist - obwohl wir einen solchen Vorstoß unterstützen würden. Der soziale Wohnungsbau ist aber zu wichtig, um auf Spiel gesetzt zu werden. Daher setzen wir auf die Neue Wohnungsgemeinnütizgkeit. Mehr Informationen finden Sie hier: https://www.gruene-bundestag.de/bauen-wohnen-stadtentwicklung/die-neue-wohnungsgemeinnuetzigkeit-23-02-2016.html.
3. Wäre eine amtliche bundesweite Statistik zur Wohnungslosigkeit nicht ein wichtiges Hilfsmittel zur Bekämpfung ebendieser und gleichzeitig ein wichtiges Zeichen, dass die Politik das Thema Wohnungslosigkeit ernst bzw. überhaupt wahrnimmt?
Wir Grüne fordern neben anderen Maßnahmen schon seit Jahren eine bundesweite Wohnungsnotfallstatistik, die über Schätzungen hinaus geht und empirisch nachweisbare Zahlen abbildet.
Die menschenwürdige Existenz ist ein Grundrecht und als solches in unserer Verfassung verankert. Das Recht auf Wohnen ist maßgeblicher Teil und Voraussetzung dieser menschenwürdigen Existenz. In der Lebensrealität setzt sich allerdings seit Jahren ein Trend fort: die Wohnungs- und Obdachlosigkeit nimmt kontinuierlich zu. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. (BAG-W) legt daher schon seit mehreren Jahren grobe Schätzungen zur Lage der Wohnungs- und Obdachlosen vor. Die aktuellen Zahlen implizieren auch für die Zukunft einen starken Anstieg der von Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffenen Personen. So wertvoll diese Zahlen auch sind, sie ersetzen nicht eine empirische Untersuchung, die insbesondere auf die jährliche Erfassung derer abzielt, die entweder unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedroht sind oder bereits wohnungslos geworden sind. Diese Entwicklung hat vielfältige Gründe, deren Zusammenhänge in einem komplexen Gefüge persönlicher und sozialer Prozesse zu verorten sind. Es gibt also auch keine einfachen Antworten die einerseits zur Verhinderung und andererseits zur Beseitigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit führen. Daher ist es höchste Zeit für ein Mehr an Forschung und für eine bundesweite Statistik.
Den gesamten Antrag von mir und meiner Fraktion finden Sie hier: http://chriskuehn.de//wp-content/uploads/2012/12/A-Wohnungslosenstatistik.pdf .
Herzliche Grüße
Chris Kühn