Frage an Christian Hirte von Uwe T. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Hirte,
Sie haben dafür gestimmt, dass in Deutschland Ferkeln auch künftig ohne Betäububg die Hoden abgeschnitten werden dürfen. In anderen europäischen Ländern ist das nicht mehr erlaubt, da es weniger grausame Methoden der Kastration gibt.
Bitte nennen Sie mir die Gründe für Ihre Entscheidung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. U. T.
Sehr geehrter Herr Dr. T.,
zunächst danke ich Ihnen für Ihre Nachricht.
Die Entscheidung, die betäubungslose Ferkelkastration um zwei Jahre zu verlängern, habe ich mir nicht leicht gemacht.
Wie Sie richtig anführen, werden in einigen europäischen Nachbarländern bereits Verfahren angewandt, bei denen die Ferkel betäubt werden.
In Deutschland fehlen uns zu diesem Schritt bisher die rechtlichen Rahmenbedingungen und diese wären auch nicht bis zum Ende des Jahres 2018 erreicht worden.
Außerdem folgen darauf auch ganz praktische Anpassungen bei den Nutztierhaltern selbst, die in der Kürze der Zeit schlicht nicht zu leisten gewesen wären.
Lassen Sie mich dazu einige Details ausführen:
Das für eine Betäubung der Ferkel nötige Isofluran wurde gerade erst im November in Deutschland zugelassen.
Nun fehlt die entsprechende rechtliche Grundlage, damit ein Landwirt mittels Isofluran die Ferkel betäuben kann. Dem Landwirt steht also zurzeit noch kein Mittel zur Verfügung, das er selbst einsetzen dürfte.
Der Gesetzgeber verlangt also faktisch etwas rechtlich Unmögliches von ihm. Als diese gesetzliche Formulierung 2013 getroffen wurde, war dies aber nicht absehbar.
Die arzneimittelrechtliche Zulassung von Isofluran hat sehr viel längere Zeit in Anspruch genommen. Deshalb brauchen die Landwirte, die nichts für diese Verzögerung können, die Verlängerung.
Mit der Zulassung des Tierarzneimittels ist jetzt der erste Schritt erfolgt. Der zweite Schritt ist nun, eine Rechtsgrundlage für die Anwendung durch den Landwirt selbst zu schaffen.
Dafür ist eine Rechtsverordnung erforderlich, die aber ohne die gerade erst erfolgte Zulassung des Wirkstoffs Isofluran nicht erarbeitet werden konnte.
Gemeinsam mit den Ländern müssen die Inhalte der Verordnung geregelt werden. Dazu gehört beispielsweise die inhaltliche Ausgestaltung von Lehrgängen für die Schulung der Landwirte.
Darüber hinaus muss die Schulungsdauer, Prüfung und Qualifikation der Anbieter von Schulungen, die Einbindung der zuständigen Behörden etc. geregelt werden.
Auch die Impfung bzw. die Ebermast stellen derzeit noch keine Alternativen dar. Denn bei beiden Methoden kommt es weiterhin zu Geruchsauffälligkeiten beim Schweinefleisch.
Dieses Fleisch wird in Deutschland kaum gekauft. Der Lebensmitteleinzelhandel nimmt derzeit Eberfleisch und geimpfte Tiere nur in sehr geringen Mengen ab.
Eine Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe ist damit derzeit unmöglich. Was wären die Folgen? Damit bliebe nur eine Kastration unter Vollnarkose durch den Tierarzt.
Gerade die kleineren Betriebe wären dadurch besonders betroffen. Denn diese müssten die erheblichen Mehrkosten tragen.
Meine Fraktion setzt daher gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) alles daran, tierschutzgerechte Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration zu beschleunigen.
Auf diesem Weg brauchen die Tierhalter in Deutschland aber unsere Unterstützung. Deshalb wollen wir den Landwirten ermöglichen, die Betäubung durchzuführen.
Dafür müssen die Landwirte dann einen Nachweis erbringen, dass sie sachkundig mit dem Betäubungsgerät und dem Medikament umgehen können.
Hierzu benötigen wir aber noch Zeit, die wir mit einer Verlängerung der Übergangsfrist um zwei Jahre gewinnen können.
Ohne die beschlossene Übergangslösung stünden viele der kleineren Betriebe in Deutschland vor dem Aus. Diesen Strukturbruch müssen wir verhindern – für die Höfe, die ländlichen Regionen und die Verbraucher.
Die vereinbarte Übergangsfrist verschafft den Betrieben Luft zum Atmen. Klar ist aber auch: Alle Verantwortlichen müssen die nächsten beiden Jahre nutzen, um im Sinne des Tierwohls an praktikablen, wissenschaftlich fundierten und marktgängigen Alternativverfahren zu arbeiten.
Dies ist sowohl im Sinne unseres Bekenntnisses zu einer zukunftsfähigen, flächendeckenden Landwirtschaft in Deutschland als auch im Sinne des Tierschutzes.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Hirte MdB