Frage an Christian Haase von Regina M. bezüglich Bundestag
Sehr geehrter Herr Haase,
wie stehen Sie zu der Frage der Verringerung der Zahl der Wahlbezirke?
Sehen sie eine Chance zu einer Begrenzung der Abgeordnetenzahl im nächsten Bundestag?
Sehr geehrte Frau Masny,
vielen Dank für Ihre Frage!
Ich spreche mich nachdrücklich für eine Begrenzung der Anzahl der Bundestagsmandate aus, aber eine Verringerung der Wahlkreise sehe ich kritisch. Denn für mich ist es die große Stärke unseres personalisierten Verhältniswahlrechts, das man neben einer Partei auch direkt eine Person in den Deutschen Bundestag wählt. Dadurch gibt es eine viel größere Bürgernähe als bei reinen Listenwahlen. Der direkt gewählte Abgeordnete ist der unmittelbare Ansprechpartner der Bürgerinnen und Bürger des Wahlkreises. Er ist ihr Anwalt und Sprachrohr im politischen Berlin. Allerdings sind bereits jetzt viele Wahlkreise im ländlichen Raum so groß, dass sie für Abgeordnete kaum noch zu bewältigen sind. Eine geringere Anzahl an Wahlkreisen würde aber unvermeidlich zu noch größeren Gebieten führen, die ein direkt gewählter Abgeordneter bedienen muss. Ein Stück Bürgernähe geht so verloren.
Die Verlierer einer Verringerung der Wahlkreise wären gerade die ländlichen Regionen, sodass es nicht überraschend ist, dass es vor allem die städtisch dominierten Parteien Linke, Grüne und FDP sind, die diesen Vorschlag in der aktuellen Wahlrechtsdiskussion favorisieren. Der aktuelle Vorschlag der Opposition fordert, 49 Wahlkreise zu streichen. Dabei besteht bereits jetzt durch die Überhang- und Ausgleichsmandate ein Ungleichgewicht im Deutschen Bundestag. Statt der vorgesehenen Zahl von 299 Listenabgeordneten gibt es seit der letzten Bundestagswahl 410 Abgeordnete, die nicht direkt gewählt wurden. Demgegenüber stehen wie im Bundeswahlgesetz vorgeschrieben die 299 Wahlkreisabgeordneten. Heute entscheidet faktisch wesentlich die Zweitstimme über die Mehrheiten bei der Zusammensetzung der Parteien im Parlament. Listenabgeordnete haben aber den entscheidenden Nachteil, dass sie in erster Linie nicht die Wähler, sondern die Parteifunktionäre überzeugen müssen. Sie sind abhängiger von der Parteiführung als direkt gewählte Abgeordnete.
Ich möchte daher die Anzahl der Bundestagsmandate beschränken, ohne dabei die Bedeutung der Erststimme weiter zu schmälern. Die Zeit drängt, wenn wir rechtzeitig vor der Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten für die Bundestagswahl 2021 noch eine Wahlrechtsreform beschließen wollen. Die bisherigen Vorschläge der Opposition sind aus meiner Sicht zu einseitig und begünstigen die Parteien, die städtisch geprägt sind und deren Fraktionen hauptsächlich aus Listenabgeordneten bestehen.
Ich habe mich daher einer Initiative angeschlossen, die das Wahlrecht so ändern will, dass der Deutsche Bundestag genau die vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten erreicht. Dies entspricht einem Gleichgewicht von Mehrheits- und Verhältniswahlrecht und einer gleichen Gewichtung von Erst- und Zweitstimme: Künftig sollen daher 299 Abgeordnete direkt über die Erststimme nach Mehrheitswahlrecht in den Wahlkreisen gewählt werden. Die anderen 299 Abgeordneten sollen über die Zweitstimme nach Verhältniswahlrecht ermittelt werden.
Die kleineren Parteien, die momentan von der Übergewichtung der Listenmandate profitieren, lehnen diesen Vorschlag ab. Dennoch werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, noch für die Wahl 2021 zu einer Wahlrechtsreform zu kommen. Denn einen weiteren Anstieg der Bundestagsmandate müssen wir auf jeden Fall verhindern.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Haase