Frage an Christian Haase von Oliver L.
Sehr geehrter Herr Haase,
ich bin jetzt in Ihren Wahlkreis gezogen. Mit meinem jetzigen Abgeordneten war ich sehr zufrieden, da er auch die gleiche Position bei der Abstimmung hatte wie ich.
Werden Sie den Kurs der Kanzlerin unterstützen oder doch auf den Finanzminister hören?
Gruß
Oliver Leithäuser
Sehr geehrte Damen und Herren,
zur Beantwortung der Fragen zu meinem Abstimmungsverhalten bei der heutigen Sondersitzung des Deutschen Bundestages stelle ich Ihnen gerne meine ausführliche Erklärung zur Verfügung. Diese wird in das Protokoll der Sitzung aufgenommen und lautet:
"Persönliche Erklärung nach § 31 GO-BT zur Sondersitzung über die Erteilung eines Mandats für Verhandlungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik Griechenland am 17. Juli 2015
Heute soll der Deutsche Bundestag über die Erteilung eines Mandats für Verhandlungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik Griechenland abstimmen. Ich werde der Bundesregierung dieses Mandat mit meiner Ja-Stimme erteilen. Damit möchte ich die deutliche Mehrheit für den Kurs von Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble unter den europäischen Partner und in der deutschen Bevölkerung stützen und das bisher von diesen Geleistete würdigen.
Anknüpfend an die zur Abstimmung vom 27. Februar diesen Jahres abgegebene Erklärung möchte ich betonen, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. In jener Erklärung haben wir betont, dass wir Griechenland eine Chance geben möchten und dazu aufgefordert, diese Chance vertrauenswürdig zu nutzen. Dies ist leider in keinster Weise geschehen. Die griechische Regierung unter Alexis Tsipras hat durch ihr Verhalten viel Vertrauen verspielt und sich durch die Abhaltung eines Referendums unglaubwürdig gemacht.
Trotzdem wäre ein zum Zeitpunkt des Gipfels einseitig durch Deutschland herbeigeführter „Greccident“ (also eine Staatspleite ohne Ausstieg aus dem Euro) nicht die richtige Antwort gewesen. Im Gegenteil, es hätte das europäische Gerüst zerstört und zu unkalkulierbaren Folgen geführt.
Man muss sich den Scherbenhaufen vor Augen führen, vor dem die Staats- und Regierungschef am Verhandlungstisch saßen. Drei Möglichkeiten gab es: Erstens, den direkten Weg in eine Transferunion, die wir seit Jahren versuchen zu verhindern, mit dem Ergebnis des Endes der Rechtsgemeinschaft Europas. Dies stellt keine Option dar. Zweitens, Aufgeben – nicht zu handeln und Griechenland ausbluten zu lassen. Auch dies ist keine Option und hätte das Ende der Verantwortungsgemeinschaft Europa bedeutet. Und drittens, einen letzten Versuch zu starten, die Voraussetzungen für weitere Hilfen zu schaffen, als einziger Weg aus der Sackgasse. Ein unbequemer Weg, dies war allen bewusst. Frau Dr. Merkel und Herr Dr. Schäuble haben in dieser Situation das Beste erreicht, für Deutschland und Europa.
Nun gilt es, verlorengegangenes Vertrauen wieder herzustellen. Dazu gehörte im ersten Schritt die Umsetzung der „pior actions“ im griechischen Parlament. Diese sind am Mittwoch verabschiedet worden. Bis zum 22. Juli müssen noch zwei weitere Forderungen implementiert werden. Ist dies geschehen, so kann man nach der Prüfung durch die Institutionen abwägen, ob man die Verhandlungen aufnimmt.
Weiterhin möchte ich betonen, dass der „Grexit auf Zeit“ die von mir favorisierte Option bleibt. Dies geht aber nur in Einstimmigkeit mit den 19 Euroländern. Dies konnte bisher nicht erreicht werden.
Zudem müssen für eine abschließende Entscheidung die rechtlichen Voraussetzungen für weitere Finanzhilfen unter dem ESM-Mechanismus gegeben sein. Dazu gehört auch die Schuldentragfähigkeit. Ein nominaler Schuldenschnitt muss ausgeschlossen bleiben.
Wichtig ist, dass Eigenverantwortung, also Handlungen aus eigenem Antrieb der Griechen hinaus, und Solidarität im Gleichgewicht sind. Zumindest ist bereits aus der Erklärung zum EU-Gipfel vom 12.07.2015 zu erkennen, dass die Auflagen höher und schärfer sein müssen, als gegenüber anderen Euroländern in der Vergangenheit. Sie stellen für mich auch nur Mindestanforderungen dar.
Ich möchte klarstellen, dass mein Ja zur Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland definitiv nicht meine vorgezogene Zustimmung zu einem dritten Hilfspaket impliziert.
Eine schwere Aufgabe mit weitreichenden Entscheidungen liegt vor uns. Trotzdem muss man sich dabei immer wieder deutlich machen, dass Griechenland nun liefern muss. Die Einflussnahme von Politik in der Verwaltung und in der Gesellschaft sowie die Korruption müssen eingedämmt werden. Dies sind nur zwei Stichworte, an denen deutlich wird, woran Griechenland wirklich erkrankt ist. Klar ist, dass ich solidarisch und empathisch an der Seite des griechischen Volkes stehe, welches unter dieser Situation am meisten zu leiden hat.
Es bleibt die Hoffnung auf eine breite, nationale Koalition für dringend notwendige Veränderungen. Dafür ist eine stabile Regierungsmehrheit wichtig, die hinter den Vereinbarungen steht. So eine Konstellation hat es in Griechenland noch nicht gegeben, es wurde aber wohl durch die gravierenden Einschnitte der letzten Wochen erkennbar, dass man zum Wohle des Landes auch parteipolitische Interessen beiseitelassen muss, wenn man am Abgrund steht. Dies hat sich auch an der Stimmverteilung zur Umsetzung der „prior actions“ am Mittwoch im Parlament gezeigt.
Historische Erfahrungen zeigen, dass überraschende Kehrtwenden häufig von jenen Politikern eingeleitet werden, von denen man es am wenigsten erwartet. Tsipras hat in einem Interview erklärt, weshalb die Maßnahmen notwendig sind, um eine größere humanitäre Katastrophe in Griechenland abzuwenden. Ich hoffe, dass dies der Denkanstoß in die richtige Richtung ist."
Mit freundlichen Grüßen
Christian Haase MdB