Was halten Sie vom Konzept der Ersatzstimme (Präferenzwahlsystem wie zb in Australien) ?
Diese Variante ermöglicht es Wähler*innen, ihre Stimme abzugeben, ohne die Angst zu haben, sie zu „verschenken“, falls eine Partei die 5%-Hürde nicht erreicht. Sollte eine Partei diese Hürde nicht erreichen, wird die Ersatzstimme automatisch an eine andere Partei seiner / ihrer Wahl weitergegeben.

Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre interessante Frage.
Ich stimme Ihnen zu, ein Präferenzwahlsystem hat die positive Eigenschaft, dass Stimmen nicht mehr als "verschenkt" wahrgenommen werden, wenn es die gewählte Partei nicht ins Parlament schafft. Das könnte dazu führen, dass die Wähler noch stärker ihrer politischen Überzeugung gemäß abstimmen und sich nicht übermäßig von taktischen Überlegungen leiten lassen. Die Fünf-Prozent-Hürde lässt sich schließlich allein aus Gründen der Funktionsfähigkeit des Parlaments verteidigen, sie soll die Stimmabgabe aber nicht inhaltlich beeinflussen. Insofern ist das eine interessante Idee, die weltweit bereits in mehreren Staaten angewandt wird.
Auch in den Gesprächen der Ampel-Koalition zur Wahlrechtsreform gab es im Jahr 2022 bereits ähnliche Überlegungen: Es wurde geprüft, ob die Erststimme um eine Ersatzstimme weiterentwickelt werden könnte, die der Wähler für einen zweiten Wahlkreiskandidaten abgeben kann und die dann Bedeutung bekäme, sollte der zunächst gewählte Wahlkreiskandidat den Wahlkreis zwar gewinnen, aber wegen fehlender Zweitstimmendeckung kein Mandat erhalten.
Ihr Vorschlag einer Ersatzstimme für die Zweitstimme scheint demgegenüber allerdings wegen der Existenz der Fünf-Prozent-Hürde noch sinnvoller. Hierzu wäre eine eingehende verfassungsrechtliche Untersuchung geboten.
Freundliche Grüße und danke für Ihre Anregung,
Christian Dürr