Warum machen Sie einen Unterschied zwischen den deutschen Sektorzielen und dem EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050?
Sehr geehrter Herr Dürr,
ich beziehe mich konkret auf Ihren Entschließungsantrag auf Drucksache 20/15121. Sie bemängeln, dass es die Bemühungen der anderen EU-Staaten zur Erreichung der Klimaneutralität mindern würde, wenn Deutschland überambitionierte Ziele hätte.
Daher möchte ich einen Vergleich zu den deutschen Sektorzielen ziehen, was sicher nicht das gleiche, aber doch etwas ähnliches ist.
Auf Druck Ihrer Partei wurden die deutschen Sektorziele zur Erreichung der Klimaziele aufgeweicht, und zwar mit dem selben Argument, das Sie oben wiederrum kritisieren: Wenn beispielsweise in einem anderen Sektor die Klimaziele „übererfüllt“ werden, darf der Verkehrssektor weiterhin „trödeln“. (https://www.fdp.de/klimaschutz-wird-schnell-effizient-und-kostenguenstig) Das ist genau das, was Sie oben in Bezug auf die EU-Staaten kritisieren und passt für mich nicht zusammen, dass Sie das bei den Sektorzielen explizit erlaubt haben.
Wie erklären Sie diese Diskrepanz?

Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre interessante Frage.
Ihr Vergleich von Sektorzielen innerhalb einer Volkswirtschaft und der nationalen Beiträge zum EU-Klimaschutzziel ist durchaus sinnvoll und hilfreich. Nur den Schluss, den Sie daraus ziehen, teile ich nicht.
Beide Fälle haben, wie Sie schreiben, gemeinsam, dass es nicht darauf ankommt, wo CO2 eingespart wird: im Industriesektor oder im Verkehrssektor, in Österreich oder in Deutschland - es macht für den Klimaschutz keinen Unterschied. Deshalb sagen wir Freie Demokraten: Die Einsparung sollte dort erfolgen, wo es am kostengünstigsten möglich ist. Nur dann haben wir einen effizienten Klimaschutz, der von den Bürgern langfristig akzeptiert wird.
Daraus folgt für uns: keine starren Sektorziele innerhalb Deutschlands, keine starren nationalen Ziele innerhalb Europas. Genau das fordern wir: Deutschland sollte kein nationales Sonderziel 2045 für sich definieren, sondern sich dem EU-Ziel 2050 anpassen. Dann kann durch den europaweiten Handel mit CO2-Emissionszertifikaten ermittelt werden, in welchem Land und in welchem Sektor CO2 am kostengünstigsten eingespart werden kann. Es entsteht ein produktiver Wettbewerb der Ideen, wie ein zugleich wohlhabender und klimaneutraler Wirtschaftsstandort möglich ist.
Bei den Kosten reicht die Spanne zwischen unter 100 Euro pro Tonne CO2 (der Börsenpreis für ein Zertifikat liegt derzeit bei rund 73 Euro) bis hin zu weit über 1.000 Euro durch strikte staatliche Vorgaben wie etwa ein Verbrenner-Verbot. Es handelt sich keineswegs um einen Randaspekt, vielmehr gehört die Frage, wie Klimaschutz effizient machbar ist, nach meiner Überzeugung ins Zentrum der Debatte. Ohne einen Blick auf die Kosten werden wir die Klimaziele nicht erreichen.
Um noch einmal auf Ihren Vergleich zurückzukommen: Wir wollen dem Verkehrssektor erlauben, zu "trödeln", wenn es in anderen Sektoren kostengünstigere Möglichkeiten der CO2-Einsparung gibt, ja. Und ebenso wollen wir einem Land erlauben, zu "trödeln", wenn es in einem anderen Land kostengünstigere Möglichkeiten der CO2-Einsparung gibt (aber nur dann). Das herauszufinden und auszutarieren, ist Aufgabe des Emissionszertifikatehandels (über den ich einst als Ökonomiestudent meine Diplomarbeit geschrieben). Nationale Sonderziele stören dieses sinnvolle Verfahren.
Freundliche Grüße,
Christian Dürr