Warum fordern Sie eine Kürzung des Bürgergelds wegen der niedrigen Inflation, obwohl Sie erst 2022 der geltenden Regelung genau für diesen Fall (nämlich Nullrunden) zugestimmt haben?
Sehr geehrter Herr D.
Sie haben 2022 zusammen mit Ihren Koalitionspartnern SPD und Grünen das Bürgergeld-Gesetz verabschiedet. Darin haben Sie die Anpassung des Bürgergelds an die Inflation neu geregelt. Den Fall, dass die Inflation ursprünglich hoch geschätzt wurde und sich dann tatsächlich niedriger entwickelt, haben Sie darin ausdrücklich auch berücksichtigt. Für diese Situationen haben Sie im Gesetz in § 28 Absatz 5 Sozialgesetzbuch 12 (https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_12/__28a.html) ausdrücklich Nullrunden geregelt.
Wieso tun Sie jetzt so, als gäbe es einen ungeregelten Sonderfall, der eine Änderung notwendig macht, wenn Sie doch erst 2022 einer Regelung für genau diesen Fall zugestimmt haben, und wenn Ihr Parteikollege und Finanzminister diese Regelung offensichtlich kennt, weil er eine Nullrunde schon im Januar angekündigt hat (https://www.zdf.de/nachrichten/video/politik-illner-lindner-buergergeld-100.html)?
Es grüßt Sie gespannt
Ulrike Müller
Sehr geehrte Frau M.
vielen Dank für Ihre Frage.
Soziale Gerechtigkeit bedeutet nicht nur, dass der Staat faire Leistungen für Hilfebedürftige bereithält, sondern auch, dass der Staat gegenüber den Steuerzahlern gerecht ist und mit deren Geld verantwortungsvoll umgeht. Daher müssen wir auch über den Anpassungsmechanismus beim Regelsatz sprechen. Sie weisen zurecht auf die Neuregelung im Zuge der Bürgergeld-Reform zum 1. Januar 2023 hin.
Die Inflation fließt dort mittels einer Prognose, das heißt bevor die Preise überhaupt steigen, in die Berechnung ein. Dadurch liegt der jetzige Regelsatz 14 bis 20 Euro über dem Existenzminimum. Es ist nur fair den Steuerzahlern gegenüber, diese ungerechtfertigten Leistungen in Höhe von 850 Millionen Euro schnellstmöglich zu beenden. Arbeit und Leistung müssen sich spürbar lohnen. Immer höhere Sozialleistungen gefährden den Lohnabstand, die Leistungsgerechtigkeit und Erwerbsanreize. Ein ausreichender Lohnabstand zwischen denen, die arbeiten, und denen, die nicht arbeiten, ist eine Frage von Respekt vor der Leistung der arbeitenden Bevölkerung. Es handelt sich, da haben Sie recht, nicht um einen ungeregelten Sonderfall, sondern schlicht um eine schlechte Regelung, die in Fällen einer überraschend hohen Inflation zu einem überhöhten Regelsatz führt.
Verschiedene Studien, u. a. des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), haben gezeigt, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende derzeit keine ausreichenden Erwerbsanreize bietet. Die Jobcenter vermitteln immer weniger Menschen in Arbeit, dabei sucht die Wirtschaft händeringend nach Arbeits- und Fachkräften. Integration in Arbeit ist zudem die nachhaltigste Sozialleistung. Die Arbeitsaufnahme muss daher im Vordergrund des Bürgergelds stehen. Außerdem muss klar sein, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende kein bedingungsloses Grundeinkommen ist.
Deshalb haben wir uns in der Koalition darauf verständigt, dass wir in Zukunft die Mitwirkungspflichten von Bürgergeldempfängern konsequenter einfordern. Wer Mitwirkungspflichten verletzt, muss mit einer unmittelbaren Kürzung der Leistungen um 30 Prozent rechnen. Zudem werden wir die Kriterien für eine zumutbare Arbeit so gestalten, dass Bürgergeldempfängern mehr Arbeitsstellen angeboten werden können. Wer sich komplett verweigert, darf keine Sozialleistungen mehr erhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Dürr