Frage an Christian Dürr von Silvia K. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Dürr -
[Textauszug aus einem Bericht des Deutschen Tierschutzbundes]
>> Ein Jahr nach dem Urteil zum Kükentöten ist nichts passiert, das Töten geht unverändert weiter!
Auch wenn die Richter des Bundesverwaltungsgerichtes vor einem Jahr kein sofortiges Verbot aussprachen, hatten sie deutlich gemacht, dass das Töten der männlichen Küken nicht mit dem Tierschutzgesetz und dem Staatsziel Tierschutz vereinbar ist. Dennoch liegt der Ausstieg aus der grausamen Praxis auch Mitte 2020 noch in weiter Ferne.
Die Geflügel-Branche hatte immer wieder bekräftigt, dass man bereits an Alternativmethoden arbeite, um das Töten zu beenden und konnte das Gericht so offenbar einlullen. Ein Jahr nach dem Urteil aber wird deutlich, dass die Richter sich verkalkuliert und blind auf die Zusicherung einer Branche vertraut haben, die bis heute keine marktreifen und tierschutzgerechten Alternativmethoden zum Kükentöten vorweisen kann.
Hinzu kommt, dass unsere Bundesministerin, anders als im Koalitionsvertrag versprochen, das Töten der Eintagsküken immer noch nicht beendet und die Verantwortung für den Ausstieg an die Geflügelwirtschaft abgegeben hat.
Ein für Ende 2021 geplanter Ausstieg ist somit jetzt schon hinfällig.
Beschämend, wenn man bedenkt, dass das Kükentöten doch gegen das Gesetz verstößt!<< [Ende]
Mittlerweile stehen Strafzahlungen an die EU zur Diskussion, weil Deutschland massiv und ohne erkennbare Änderungen gegen die Tierschutzrichtlinien verstößt.
Meine Frage lautet: Wie und wann setzt sich Ihre Partei für die Einhaltung des Tierschutzes ein und wirkt nachdrücklich auf das Ende der Quälereien in der Massentierhaltung ein?
In Erwartung einer aussagekräftigen Antwort ohne heiße Luft -
S. K.
Sehr geehrte Frau Kerney,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.
Elementar für das Tierwohl ist die Einhaltung geltender Gesetze: Dass Tierhaltungsbetriebe in einigen Bundesländern im Durchschnitt nur alle 15 Jahre oder noch seltener überprüft werden, ist zu wenig. Ein Grund dafür ist die teilweise mangelhafte Ausstattung der Veterinärverwaltung mit Personal. Wo nötig, sind hier die Länder in der Verantwortung, Abhilfe zu schaffen. Der Staat muss seine Behörden bei seinen ureigenen Aufgaben ausreichend ausstatten. Die Einhaltung von geltendem Recht in der Tierhaltung zu kontrollieren, gehört ausdrücklich dazu. Wir als FDP-Bundestagsfraktion haben bereits im Jahr 2018 einen Antrag (Drucksache 19/6285 "Einhaltung von Tierschutzrecht wirksam und effizient kontrollieren") in den Bundestag eingebracht, der zum Ziel hat, die Bundesländer bei ihrer Kontrollaufgabe, auch mit finanziellen Mitteln, angemessen zu unterstützen.
Verstöße sind konsequent zu verfolgen und zu bestrafen. Darüber hinaus sind weitere Verbesserungen des Tierwohls möglich, wie beim Töten männlicher Küken. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erlaubt das Töten vorerst weiter, bis marktreife Verfahren zur Früherkennung des Geschlechts im Ei bereitstehen. Doch wie das Urteil auch ausgefallen wäre: Eine Verbesserung des Tierwohls ist hierdurch nicht zu erwarten. Bei einem Verbot würden Betriebe u.U. in andere Staaten abwandern und die Produkte kämen aus dem Ausland in unsere Supermärkte.
Denn bisher ist ein Wettlauf in Richtung geringerer Standards in der EU für den deutschen Landwirtschaftssektor bittere Realität: Der Landwirt in Frankreich, Italien oder Rumänien findet andere politische Rahmenbedingungen und laxere Kontrollen als der Landwirt in Deutschland vor. Deshalb müssen Maßnahmen zum Tierwohl auf europäischer Ebene verwirklicht werden. Nationale Alleingänge, die deutlich über europäische Regelungen hinausgehen, führen zur Abwanderung und Verlagerung der Produktion und tragen nicht zu einer Besserung bei.
Deshalb fordern wir beim Töten männlicher Küken ein EU-weites Verbot in Verbindung mit weiterer Forschung und die Weiterentwicklung der Technik zur frühzeitigen Geschlechtsbestimmung im Ei. Denn so kann es gelingen, das Kükentöten tatsächlich zu beenden.
Ob Verbesserungen des Tierwohls tatsächlich erreicht werden, wird an der Ladenkasse entschieden. Denn die Verbraucher steuern mit ihrem Kaufverhalten, wie produziert wird. Aktuell steht daher in der landwirtschaftlichen Produktion die auf das Ei fokussierte Effizienz im Vordergrund und es gibt keinen Bedarf nach männlichen Küken. Höhere Standards bei der Produktion tierischer Nahrungsmittel kosten Geld. Wer das Töten männlicher Küken wirklich beenden will, muss auch die “Geiz-ist-geil-Mentalität” beim Discounter überwinden. Denn es gibt schon jetzt Alternativen, zum Beispiel das sog. Zweinutzungshuhn. Die Züchtungen sind nicht einseitig auf die Produktion von Eiern ausgelegt. So können die männlichen Küken für die Erzeugung von Fleisch genutzt werden. Allerdings sind Eier und Fleisch (durch höhere Futterkosten) beim Zweinutzungshuhn teurer und werden deshalb nicht ausreichend nachgefragt, um nur auf diesem Weg dem Beenden des Tötens männlicher Küken entscheidend näher zu kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Dürr