Frage an Christa Matschl von Markus R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Matschl,
sind sie wie ihre Partei gegen den Mindestlohn, und wenn je wieso lehnen sie ihn ab?
Sehr geehrter Herr Reichert,
ich lehne einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn ab. Und ich werde Ihnen auch sehr gerne begründen, warum ich dies tue:
1.) Es gibt in der Wissenschaft eine lange und breite Diskussion darüber, welche positiven oder negativen Auswirkungen die Festsetzung eines Mindestlohnes haben kann. Fakt ist, dass ein Mindestlohn, ist er zu hoch angesetzt, Arbeitsplätze vernichtet. Denn ein Mindestlohn garantiert allein die Höhe des Lohnes, nicht jedoch den Arbeitsplatz. Einzelne Arbeitnehmer mögen zwar mehr verdienen, viele jedoch würden ihren Arbeitsplatz verlieren. Dies ist eine zentrale Aussage der internationalen Volkswirtschaftslehre. De Facto ist es so, dass ein erhebliches Informationsdefizit bei einer geeigneten Höhe des Mindestlohnes und den beeinflussenden Begleitbedingungen besteht.
2.) Aber gerade wenn wir den Mindestlohn niedrig ansetzen, ist den Menschen damit nicht geholfen. Vielleicht würden einige davon profitieren, aber letztendlich geht es doch in der Argumentation der Befürworter immer darum, den Menschen soviel zu geben, dass sie ihre Familie ernähren können. Was aber nutzt ein Mindestlohn dem Vater einer vierköpfigen Familie? Der Mindestlohn würde hier zu keiner entscheidenden Verbesserung führen.
3.) Bei allem Für und Wider kristallisiert sich in der empirischen Forschung eine übereinstimmende Erkenntnis heraus: Mindestlöhne erzeugen Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen. Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (http://library.fes.de/pdf-files/asfo/03980.pdf: S 28) spricht hier unter Verweis auf die OECD von leichten Verlusten, obwohl für Frankreich zwischen 1975 und 1996 bei Teenagern ein sinken der Beschäftigungsquote von 18,5 % ausgegeben wird. Diese Befunde empfinde ich als besonders bedenklich, da hier Arbeitslosigkeit in der Altersschicht erzeugt wird, aus der wir in den kommenden Jahrzehnten jede Arbeitskraft benötigen, um unser stark angeschlagenes Renten- und Sozialversicherungssystem zu stabilisieren.
4.) Es wird propagiert, dass mit dem Mindestlohn Lohngerechtigkeit hergestellt werden soll. Eine solche Behauptung kann nur unter naiver Verkennung der Realitäten am Arbeitsmarkt aufgestellt werden. Denn es ist durchaus zu erwarten, dass nicht vom Mindestlohn betroffene Branchen ihre Löhne anheben werden, um die alten "Abstände" wieder herzustellen. Dies hat zur Folge, dass zwar der Einkommensunterschied im Vergleich zu den niedrigeren Einkommensgruppen abgebaut wird. Aber im Vergleich zu den höheren Einkommensgruppen, gegenüber denen man eigentlich aufholen will, wird es keine Angleichung der Einkommen geben, da der Abstand gleich bleibt, wenn auch auf höherem Niveau. Auf einem anderen Blatt Papier steht übrigens die Frage nach der Finanzierung all dieser Lohnerhöhungen.
5.) Die Höhe der Löhne in Deutschland wird vielfach in Tarifverträgen geregelt, die bereits eine Mindesthöhe der Löhne beinhalten. Dies bedeutet also, dass die bestehenden Regelungen bereits passgenaue Lösungen für die jeweiligen Branchen, wie zum Beispiel am Bau oder bei der Gebäudereinigung, zulassen. Auch ergeben sich aus einer Reihe von bundesgesetzlichen Normen wie bspw. dem Tarifvertragsgesetz oder dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz Vorgaben für Arbeitslöhne.
Herr Reichert, ich möchte nicht das Deutschland zu einem Versuchslabor wird, in dem mit der Höhe eines Mindestlohnes hin und her jongliert wird, bis es vielleicht irgendwann einmal passt. Bei einer solchen Vorgehensweise ergeben sich zu viele Gefahren für den Arbeitsmarkt und für die tüchtig arbeitenden Menschen in diesem Land, insbesondere für unsere Kinder und Enkelkinder. Wir benötigen passgenaue Regelungen für die einzelnen Branchen - hierfür gibt es in Deutschland eine Vielzahl von Regelungen und die Tarifvertragsparteien, deren vorrangige Aufgabe die Lohnfindung ist. Und wir müssen gewährleisten, dass der Arbeitslohn eines jeden ausreicht, seine Familie zu ernähren. Sollte dies nicht der Fall sein, muss der Staat in so einem Fall das Einkommen aufstocken. Dies ist unser Ansatz im Umgang mit diesem Problem und diesem Zweck dienen auch die Regelungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Christa Matschl, MdL