Frage an Cem Özdemir von Manuel S. bezüglich Innere Angelegenheiten
Sehr geehrter Herr Cem Özdemir
Wie kommt eine Verfassung zustande?
Muss eine Verfassung durch das Volk legitimiert werden?
Kann eine verfassung nach Artikel 146 vom Deutschen Volk komplett neu geschrieben und angenommen werden?
Was ist der Unterschied zur Verfassung und zur Verordnung?
Würde mich freuen wenn Sie mir diese Frage beantworten.
Mit freundlichen Grüßen M. S.
Sehr geehrter Herr S.,
Verfassungen sind in der Geschichte auf unterschiedlichen Wegen zustande gekommen. In demokratischen Staaten geht die verfassunggebende Gewalt vom Staatsvolk aus. In der Bundesrepublik Deutschland ist das Grundgesetz die Verfassung und steht im Rang über allen anderen deutschen Rechtsnormen. Dieses wurde vom Parlamentarischen Rat ausgearbeitet, der am 1. September 1948 in Bonn erstmalig zusammentrat. Die 65 stimmberechtigten Mitglieder des Parlamentarischen Rats sind zuvor von den Länderparlamenten der drei westlichen Besatzungszonen gewählt worden. Am 8. Mai 1949 beschloss der Parlamentarische Rat mit 53 gegen 12 Stimmen das Grundgesetz. Die Besatzungsmächte stimmten dem Grundgesetz ebenso zu wie die Länderparlamente (Ausnahme Bayern). Zwei Drittel der Länder reichten zur Annahme des Grundgesetzes jedoch aus. Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz dann in Bonn verkündet und unterzeichnet. Die Bundesrepublik Deutschland war gegründet. Mehr Informationen zur Entstehung der Bundesrepublik finden Sie hier: www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre/doppelte-staatsgruendung/entstehung-der-bundesrepublik-parlamentarischer-rat-und-grundgesetz.html
Das Grundgesetz galt anfangs nur für Westdeutschland, weshalb es nicht als Verfassung bezeichnet wurde sondern einen Namen erhielt, der den damals provisorischen Charakter betonte. Mit der Wiedervereinigung 1990 wurde das „Provisorium“ Grundgesetz dann zur Verfassung des gesamten vereinigten Deutschlands. Am 3.10.1990 trat die DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes bei und ging damit in der Bundesrepublik auf. Mehr Informationen finden Sie hier: www.buergerimstaat.de/1_19/grundgesetz.pdf#page=6
Die Auslegung von Art. 146 GG ist Gegenstand rechtswissenschaftlicher Debatten. Dabei ist auch Art. 79 Abs. 3 GG (Ewigkeitsklausel) zu beachten. Einen ausführlich obgleich verständlichen Hintergrundartikel, der diese Debatten abbildet, finden sie bei der Bundeszentrale für politische Bildung: http://bpb.de/apuz/32023/das-grundgesetz-eine-verfassung-auf-abruf?p=all
Der Unterschied zwischen einer Verordnung und einer Verfassung ergibt sich aus der sogenannten Normenhierarchie. Demnach steht die Verfassung über einer Verordnung. Mehr Informationen zu Normentypen und der Normenhierarchie finden Sie hier: www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/unterschied-zwischen-foermlichen-gesetzen-und-recht.html?fbclid=IwAR1p4ZZKcVGZPQsfTS27SnsMWVtLQNb66rB1aoFE4XoirhyCBJlCTjENYeM
Ich hoffe, meine Ausführungen helfen Ihnen weiter. Erlauben Sie mir, Sie in Ihrem eigenen Interesse darauf hinzuweisen, dass die Argumente, die Ihrer Fragen zugrunde liegen, auch diejenigen sind, die von sogenannten „Reichsbürgern“ vorgebracht werden. Einer zuweilen auch rechtsextremen Anhängerschaft, mit der Sie und ich sicher nichts zu tun haben wollen. Diese „Reichsbürger“ sind zum großen Teil der falschen Überzeugung, die Bundesrepublik sei eine GmbH. In diesem Zusammenhang empfehle ich eine informative Sendung des politisch unabhängigen Bayrischen Rundfunks „#faktenfuchs: Antworten auf häufige Reichsbürger-Argumente“: www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/fakenfuchs-bildttext-vorlage,Qu5tSK8 .
Ein weiterer Lektüretipp, den ich im Zusammenhang mit den sogenannten „Reichsbürgern“ gerne empfehle, ist die Broschüre „„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter““ vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Diese können Sie hier abrufen: www.verfassungsschutz.de/embed/broschuere-2018-12-reichsbuerger-und-selbstverwalter.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Cem Özdemir