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Cem Özdemir
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Frage von Esther O. •

Frage an Cem Özdemir von Esther O. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Özdemir,

Sie vertreten die Partei, die ich seit Anbeginn stest gewählt habe . Und ich hätte nicht erwartet, dass ich eine*n Grünen-Politiker*in einmal tatsächlich fragen müsste, wie er/sie die aktuell von der Autoindustrie geforderte Abwrackprämie sieht. Aber unser "grüner" Ministerpräsident Kretschmann lehrt mich, dass diese Frage auch innerhalb der Partei der Grünen durchaus gestellt werden muss. Sie können sich vorstellen, wie ich dazu stehe. Deshalb hier nochmals konkret meine Frage: Abwrackprämie für den Kauf eines Neuwagens oder finanzielle Förderung des ÖPNVs und Ausbau von Radwegen? Wie stehen Sie dazu? Für Ihre Antwort im Voraus herzlichen Dank!

Mit freundlichen Grüßen
Esther Oehler

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Oehler,

herzlichen Dank für Ihre Frage und Ihr Vertrauen in Grüne Politik. Wir können die Corona-Krise nicht lösen, indem wir die Klimakrise befeuern. Das heißt für mich auch, eine Abwrackprämie auf Kosten des Klimas – wie zum Beispiel nach der Finanzkrise 2008-09 ohne jede Lenkungswirkung – durfte und darf es nicht geben. Im Vorfeld des Konjunkturprogrammes habe ich diesen Standpunkt zum Beispiel im Streitgespräch mit Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vertreten. Das vollständige Doppelinterview können Sie hier abrufen https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/auto-verkehr/autopraemien-wegen-corona-vw-chef-diess-gegen-cem-oezdemir-16751287.html.
Die Corona-Krise und ihre Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft sprengen die Dimension der Finanzkrise und es ist klar, dass wir einen Schulterschluss im Land und in Europa brauchen, um da wieder rauszukommen. Wir Grüne haben uns daher für ein Konjunkturprogramm stark gemacht, dass - wie ich es nenne - eine doppelte Dividende abwirft. Auf der einen Seite muss es unserer Wirtschaft den dringend notwendigen Schub geben, auf der anderen Seite gilt es, die Chance zu nutzen, um die ökologische Modernisierung voranzubringen.

Vor diesem Hintergrund ist das von der GroKo vorgelegte Konjunkturprogramm besser als gedacht, auch wenn insbesondere mit Blick auf das Klima noch einiges mehr möglich gewesen wäre. Ausführliche Informationen dazu finden Sie in unserem grünen Antrag „Zukunftspakt für einen sozial-ökologischen Aufbruch aus der Krise“ unter https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/195/1919549.pdf. Die Diskussionen im Vorfeld, insbesondere um die von Ihnen angesprochene Abwrackprämie haben auch gezeigt: Die Debatte um Auto und Mobilität wird in Deutschland anders geführt, als das noch vor wenigen Jahren der Fall war. Das ist ohne Frage ein Gewinn für das Klima, die gesamte Klimabewegung, mittelfristig aber auch für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Auto- und Mobilitätsstandortes.

Nachbesserungsbedarf gibt es aus unserer Sicht aber zum Beispiel bei der bisher vollkommen unkonditionierten Förderung der sogenannten Plug-In-Hybride (PHEV), also der Fahrzeuge, die sowohl einen Verbrennungs- als auch einen Elektromotor eingebaut haben. Werden diese in der Praxis nicht elektrisch gefahren, sind sie nur auf dem Papier klimafreundlich. Für mich ist das nichts anderes als staatlich subventionierter Klimabetrug! Wir brauchen Regeln, damit aus dem Hybrid ein echter Hybrid wird. So wäre es zum Beispiel ein leichtes, bei der ersten Hauptuntersuchung auszulesen, ob tatsächlich der Großteil der Fahrleistung elektrisch erbracht wird und nur dann kann es überhaupt eine Förderung geben.

Der von Ihnen angesprochene Ausbau des ÖPNV und der Förderung für Radwege kann ich nur zustimmen – und möchte auch darauf hinweisen, dass das auch völlig unabhängig von der Krise passieren muss. Verkehrswende heißt massive Investitionen in ÖPNV, Rad- und Fußwege und alternative Antriebe. Anders geht es nicht. Dazu möchte ich noch ergänzen, dass die Krise nahezu alle Sektoren getroffen hat, darunter auch Bus und Bahn mit Fahrgastrückgängen von bis zu 90% zu Beginn der Krise. Es ist daher unabdingbar, dass wir hier helfen, damit das ÖPNV-Angebot nach der Krise mindestens genauso gut ist wie vor der Krise.

Nicht zuletzt hat wurde spätestens in der Corona-Krise sichtbar, was einige von uns schon lange gewusst haben: Das Fahrrad ist systemrelevant. In der Corona-Krise sind viele aufs Fahrrad umgestiegen; als Möglichkeit, möglichst viel „draußen“ zu genießen und dabei noch anzukommen. Und nicht zuletzt die Pop-up-Radwege in Stuttgart, in Berlin und in anderen Städten zeigen, was möglich ist, wenn wir den Platz in der Stadt fairer aufteilen zwischen den Verkehrsmitteln. Daraus können und wollten wir auch für die Zeit nach der Krise lernen.

Beste Grüße
Cem Özdemir

 

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