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Cem Özdemir
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Frage von Astrid M. •

Frage an Cem Özdemir von Astrid M. bezüglich Recht

Kampfhund

Sehr geehrter Herr Özdemir,

Wie kommen Sie darauf, dass Kampfhunde wie z.B. Pit Bull etc. ausgerottet werden sollen? Diese Tiere sind nichts anderes als andere Hunde auch. Es sind lediglich die Besitzer nicht alle Besitzer die diese Hunderassen extra darauf trimmen sie zu Kampfmaschinen zu züchten bzw. zu halten. Jeder Hund kann beissen! Es kann irgendwo nicht sein das Sie jetzt mit Ihrer aussage meinten, man solle diese Tiere komplett ausrotten. Erklären Sie mir mal bitte wie Sie darauf kommen. Auf der einen art verssucht Ihr Tiere zu schützen auf der anderen art meinen Sie die Tiere zu Töten. Jetzt habe ich noch eine Frage an Sie: Hat nicht jedes Lebewesen recht zu leben ( auch ein Kampfhund )? Und wieso ist die Hundesteuer so hoch, die Besitzer von diesen Tieren die Spaß an diese Hunde haben, (wie andere an einen Puddel) müßen diese Tiere abgeben, und diese landen in Städtischen Tierheimen die auch der Steuerzahler bezahlen muß! Ich würde sagen die Steuer senken, dardurch habt Ihr doch auch einnahmen und weniger kosten! Ich bin aber auch dafür, das sich nicht jeder so einen Hund holen darf wie Leute, die Vorbestraft oder aus dem Rotlichtviertel kommen.Ich bin auch darfür das der Halter ein Führerschein machen muß, so das er sich auch in einer gefährlichen Situation richtig verhalten kann. Auch ein Kampfhund ist ein Lebewesen!!!

MIt freundlichen Grüßen
A. Manthey

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Manthey,

Sie sprechen damit eine Debatte aus dem Jahr 2000 an, die im Zuge eines schrecklichen Vorfalls in Hamburg aufkam: Der sechsjährige Volkan wurde von zwei Kampfhunden getötet.

Ich füge untenstehend zwei Reden an, die ich im Plenum des Deutschen Bundestages in dieser Sache gehalten habe. Für weitere Informationen und aktuelle Positionen der Grünen zu diesem Thema bitte ich Sie, sich an die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Cem Özdemir

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 112. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Juni 2000

Aktuelle Stunde. Auf Verlangen der Fraktion der F.D.P. Besserer Schutz der Bevölkerung – insbesondere von Kindern – vor Angriffen von Kampfhunden

Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist bedauerlich, dass es so lange gebraucht hat, bis Maßnahmen ergriffen werden können, die überfällig waren. Hätten die Länder, die Parteien und die Politiker früher reagiert, wären dem einen oder anderen Verletzungen erspart geblieben, die ihn ein Leben lang entstellen werden, würde der kleine Volkan vielleicht heute noch leben und anderen wären Angst und Schrecken, die sie in den letzten Jahren begleiteten, erspart geblieben. Insofern ist es gut, dass wir uns heute mit der Problematik Kampfhunde beschäftigen. Ich glaube aber, dass wir damit früher hätten anfangen müssen. Diese Selbstkritik steht uns allen gut zu Gesicht.

Ich möchte hier auch noch einmal die Länder ansprechen. Ich finde es gut, dass die Bayern vorangegangen sind und die Hamburger jetzt mit einem Maßnahmenpaket, bei dem man nichts mehr ergänzen kann, auf dieses Problem aufmerksam machen. Die anderen Länder sollten aber wenigstens in der Lage sein, bei diesen beiden Ländern abzuschreiben. Das kann man – bei allem Respekt vor dem Föderalismus – durchaus einfordern. Abschreiben muss möglich sein. Bitte setzen Sie die Regelungen, die die Bayern und Hamburger gefunden haben, um! Dabei handelt es sich um Regelungen, denen man im Grunde genommen nichts mehr hinzufügen muss. Insofern sage ich: Guten Morgen, liebe Länder! Jetzt ist es Zeit, dieses umzusetzen.

Meine Fraktion hat bereits vor zehn Jahren einen Antrag eingebracht, in dem sie ein Kampfhundeverbot gefordert hat. Hätte man diesen Antrag damals angenommen, dann hätten viele Kinder keine psychischen Schäden, die dadurch entstanden sind, dass sie Angst vor diesen Hunden hatten, wenn sie sie in der Fußgängerzone sahen, davongetragen und hätten Jogger keine Angst haben müssen, im Tiergarten zu joggen. Das alles wäre uns erspart geblieben. Ich finde es absurd, dass wir mittlerweile eine Situation haben, in der sich Eltern darüber Gedanken machen müssen, wie sie ihre Kinder auf Kampfhunde vorbereiten. Umgekehrt würde viel eher ein Schuh daraus: Wir wollen keine Kinder dressieren, sondern wir wollen, dass diese Hunde aus dem Stadtbild und aus unserem Land verschwinden. Ich sehe keinen Grund – und mir wurde bisher auch noch kein Grund genannt –, wofür man Kampfhunde benötigt. Ich bin mir sicher, dass wir uns alle darüber einig sind, dass diese Tiere der Vergangenheit angehören müssen.

Ich will aber auch nicht so tun, als ob wir die Einzigen sind, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben. Nein, meine Damen und Herren, auch die viertgrößte Fraktion des Hauses, die F.D.P., hat sich nicht erst im Rahmen dieser Aktuellen Stunde mit diesem Thema beschäftigt, Herr Kollege Westerwelle, sondern auch früher schon einmal. Ich möchte aus einer sehr bemerkenswerten Erklärung vom 4. Mai 2000 zitieren. Dort wird beispielsweise gesagt: „Verbot von Kampfhunden wirkungslos – Leinenzwang in der Fußgängerzone“. Angesichts der Forderung der Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen, Frau Bärbel Höhn, nach einem Verbot von Kampfhunderassen – man sieht, dieses Verbot war auch vorher schon im Gespräch – erklärte dieselbe Abgeordnete von der F.D.P.: „keine Ausrottung von Hunderassen“.

Es wäre schon ganz gut gewesen, Herr Westerwelle, wenn Sie sich auch dazu geäußert hätten. Es wäre gut gewesen, Sie hätten das eine oder andere Wort dazu gefunden, dass es Ihre Fraktion war, die sich vor nicht allzu langer Zeit genau gegen das ausgesprochen hat, was heute der Innenminister vorschlägt, was einige der Länder schon gemacht haben und was überfällig ist. Die Kampfhunde müssen weg. Wir brauchen kein falsches Verständnis für Kampfhunde oder für ihre Halter. Die Kinder und ihre Eltern müssen sich auf den Spielplätzen sicher fühlen. Sicherheit ist jetzt angesagt.

Ich möchte noch auf einen anderen Punkt eingehen. Die Forderung nach hohen Steuern ist nicht sinnvoll, da sich Zuhälter mit dickem Geldbeutel diese staatlich anerkannten Luxusköter leisten können. Der Charakter eines Halters hängt nicht von seinem Geldbeutel ab. Das Drehen an der Steuerschraube ist nicht die Lösung des Problems. Wir müssen andere Lösungen finden. Über einen Maßnahmen-Mix wurde ja schon gesprochen.

Auch die Reaktion der Versicherungswirtschaft hat mich sehr geärgert. Der Verband hat sich gegen eine Haftpflichtversicherung ausgesprochen. Es handelt sich meiner Meinung nach um ein unterentwickeltes Verantwortungsbewusstsein, das hier deutlich wird. Wenn schon die schlimmsten Verletzungen, die Menschen davon getragen haben, nicht rückgängig zu machen sind, dann müssen wenigstens die Angehörigen einen Anspruch darauf haben, schnell, unkompliziert und unbürokratisch Schmerzensgeld zu erhalten. Daher mein Appell an die Versicherungswirtschaft, ihre Haltung zu überdenken.

Der Streit – Herr Kollege Bosbach hat schon zu Recht darauf hingewiesen – angesichts der Frage „Was ist gefährlicher: die Hunde oder die Hundebesitzer?“ ist ein Streit, den wir uns nicht mehr leisten können. Wir müssen auf beiden Seiten gleichzeitig ansetzen. Neben bestimmten Hunderassen, die wir nicht mehr dulden wollen, müssen wir uns auch die Hundebesitzer anschauen. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, eine Art Hundeführerschein einzuführen. Bestimmte Menschen sind nämlich schlicht und ergreifend charakterlich überfordert, bestimmte Hunde zu halten. Wir müssen durchsetzen, dass solche Menschen, die offensichtlich eine charakterliche Symbiose mit ihrem Hund eingehen, solche Hunde zukünftig nicht mehr ihr Eigen nennen dürfen.

Zum Schluss: Das Waffenrecht regelt bereits heute die Berechtigung für den Besitz beispielsweise eines Luftgewehrs oder eines Maschinengewehrs. Der Gradmesser ist eine mögliche Gefährdung, ein möglicher Schaden oder gar eine Kriegstauglichkeit. Ein „randalierender“ Dackel kann – auch wenn er will – gar nicht so große Schäden anrichten wie beispielsweise ein Pitbull im Blutrausch. Wir müssen daher jetzt bei den besonders gefährlichen Tieren ansetzen. Die Maßnahmen liegen auf dem Tisch. Es wird Zeit, dass wir handeln.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000

Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde zu den Anträgen:
– Obligatorische Haftpflichtversicherung für Hunde
– Bevölkerung wirksam vor „Kampfhunden“ schützen

Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bürgerinnen und Bürger erwarten schon lange einen besseren Schutz vor gefährlichen Hunden. Die Probleme mit bestimmten Hunden – und ihren Haltern – sind seit vielen Jahren bekannt. Bekannt ist auch längst der tierschutzwidrige Missbrauch dieser Tiere durch verantwortungslose Züchter und Halter. Bekannt ist – hier in Berlin vor allem am Schuhwerk zu besichtigen – der Vorrang öffentlicher Straßen und Grünanlagen für Hunde.

Die Reaktion auf den Tod des kleinen Jungen in Hamburg am 26. Juni ist ein typisches Beispiel für die Reaktion der Politik. Nachdem jahrelang herumgeredet wurde, brach plötzlich allenthalben die große Normierungswut aus. Statt sich aber auf einheitliche Maßstäbe zu verständigen, haben wir nun einen Flickenteppich von Länderregelungen. Diese mangelnde Koordination der Länder untereinander ist gegenwärtig eines unserer Hauptprobleme.

Ich fordere an dieser Stelle die Länder nachdrücklich zu einer besseren Abstimmung untereinander auf. Die Bürger haben wenig Verständnis für so viel Eigenbrötelei auf Kosten der Rechtsklarheit. Für diesen Schutz der Bürgerinnen und Bürger sind nach unserer Verfassung in erster Linie die Bundesländer verantwortlich. Sie haben nun einmal die Verantwortung für das Polizei- und Ordnungsrecht. Der Bund kann nur im Bereich Tierschutz und Tierhandel als Gesetzgeber aktiv werden. Ich bin froh darüber, dass er jetzt endlich diese Kompetenz in Anspruch nimmt und Rahmenbedingungen für die Eindämmung der vielfältigen Missbräuche schafft. Der heute vorgelegte Gesetzentwurf ist der richtige Weg.

Die F.D.P. hingegen macht es sich hier rechtlich zu einfach. Sie definiert den Hund als Waffe, um so die Bundeszuständigkeit zu begründen. Gewundert hat mich auch im Antrag der F.D.P., dass Sie zwar Qual- und Aggressionszüchtungen verbieten wollen – vom Import aber nur Qualzüchtungen ausnehmen wollen. Ich habe den Eindruck, Sie wollen sich hier um die Aussage herumdrücken, ein Importverbot für bestimmte Zuchtlinien zu verhängen. Gerade darum geht es aber hier. Sie wollen sich wohl bei den Züchtern und Haltern lieb Kind machen. Wenn wir Ihre Eckpunkte aufgreifen würden, bekämen wir kein Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde, sondern eher ein Hunde-Einfuhr-Beschränkungs-Verhinderungsgesetz.

Ausreden und Halbheiten können nicht länger angehen. Ich weiß, wie sehr man sich auf Landesebene um diese Listen und den konkreten Umgang mit unter uns lebenden Tieren streitet. Hier geht es aber um die Verhinderung der Einfuhr immer neuer Tiere – oft genug aus äußerst problematischen Züchtungen. Wollen wir das in den Griff bekommen, müssen wir uns auf bestimmte Hunderassen verständigen. Der Entwurf greift hier den Vorschlag der Innenministerkonferenz vom 28. Juni auf.

Eigentlich müssten sich die Kritiker der so genannten Rasselisten in den Ländern nun für ein totales Importverbot aller Hunde aussprechen. Das wäre aber eine absurde Überreaktion. Ein Beharren auf der Gleichbehandlung aller Hunderassen würde daher den Bundesgesetzgeber lähmen und damit einen wirksamen Schutz der Menschen verhindern.

Nein, wir müssen handeln, und zwar hier und jetzt! Der Import bestimmter Zuchtlinien wie des Pitbull und Staffordshire-Terrier muss verboten werden. Auch die Durchsetzung des Einfuhrverbots für landesrechtlich verbotene Tiere ist sicherzustellen. Geschäftemacher, die gegen diese Einfuhrverbote verstoßen, machen sich künftig strafbar.

Der Weg der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen ist klar und unmissverständlich. Wir wollen, dass die Aggressionszucht wirksamer bekämpft werden kann. Sie wird künftig auch dann untersagt, wenn sie nicht mit Leiden für das Tier verbunden ist. Die bisherige Regelung war hier nicht konsequent genug. Aggressiv kann ein Tier auch dann sein, wenn es keine Schmerzen leidet.

Einigkeit besteht – ich hoffe im ganzen Haus – darin, eine verbindliche Haftpflichtversicherung für Hunde einzuführen. Opfer von Beißattacken sollen wenigstens ein Schmerzensgeld bekommen. Bundeseinheitlich sollte außerdem geregelt werden: Registrierung gefährlicher Hunde durch Mikrochip oder Tätowierung, Einführung eines bundeseinheitlichen Hundeführerscheins und Wesenstests. Ich hoffe auf eine zügige Beratung in den Ausschüssen. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern schuldig.

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