Frage an Cem Özdemir von Erich H. bezüglich Finanzen
Werter Herr Özdemir,
ich habe Ihnen einmal mitgeteilt, dass Deutschland in den letzten zehn Jahren über 3,7 Billionen an Zins und Tilgung gezahlt hat. Warum haben Sie diese Zahlen als abenteuerlich genannt? Warum werden Parteien, die durch diese hohe Verschuldung nicht auf Lebenszeit von der Regierung ausgeschlossen. Weshalb verhindern Sie damit, dass bedeutend mehr Geld in modernere Schulen investiert wird?
Lit. "Statistisches Bundesamt"
2003: 223 917 153 680
2004: 223 184 160 040
2005: 234 348 160 950
2006: 288 707 211 005
2007: 292 777 213 256
2008: 304 836 218 045
2009: 352 288 229 864
2010: 352 002 240 013
2011 : 369 750 259 984
2012: 325 122 229 583
2013: 334 386 237 300
Zinszahlungen
2004: 65 039 36 274
2005: 64 173 37 371
2006: 64 697 37 469
2007: 66 059 38 721
2008: 67 360 40 171
2009: 63 514 38 099
2010: 57 840 32 617
2011 : 56 978 31 846
2012: 68 307 42 352
2013: 65 962 41 946
Mit freundlichen Grüßen
e.humplik
Sehr geehrter Herr Humplik,
um Ihre Zahlen nachprüfen zu können, wäre eine nachvollziehbare Quellenangabe hilfreich, z.B. ein Link zu einem Dokument des Statistischen Bundesamtes oder des Bundesfinanzministeriums. Doch auch ungeachtet dessen und unter der Annahme, dass Ihre Zahlen korrekt sind: Die absolute Summe ist aus meiner Sicht zunächst weniger relevant als die Frage, ob Deutschland diese Schulden, Tilgungen und Zinsen tragen kann. Bei einer Privatperson mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.500 Euro macht es auch einen Unterschied, ob deren monatliche Tilgungs- und Zinsausgaben 100, 300, 500 oder 1.000 Euro betragen. In diesem Sinne entscheidend ist die Schuldenlast im Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Schuldentragfähigkeit).
Ich teile Ihren Hinweis, dass wir zu wenig in sinnvolle Maßnahmen investieren – allen voran in Bildung und in unsere Infrastruktur. Doch dazu fehlt bei der Bundesregierung der Wille. Aktuell etwa sind die Zinsausgaben des Bundes aufgrund der niedrigen Zinsen gering. Der Bund hat zwischen 2008 und 2015 fast 100 Milliarden Euro Zinskosten eingespart. Siehe dazu:
http://www.welt.de/wirtschaft/article139938768/Bund-spart-fast-100-Milliarden-Euro-Zinsen.html
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/niedrigzinspolitik-bund-spart-rund-94-milliarden-euro/11678614.html
Dennoch ist die Investitionskraft des Haushalts immer noch viel zu gering. Die Einnahmen im Haushalt steigen deutlich an – und zwar von 301,6 Mrd. Euro in 2015 auf 333,1 Mrd. Euro in 2019. Dennoch verharren die Investitionen in absoluten Zahlen bei rund 30 Mrd. Euro. Die Investitionsquote sinkt in den nächsten Jahren signifikant und bleibt insgesamt einstellig. Angesichts der bevorstehenden Herausforderungen, wie dem ständigen Zerfall der Infrastruktur, ist das zukunftsvergessen.
Hier unsere Bewertung des Haushalts 2016:
http://www.gruene-bundestag.de/themen/haushalt/viele-risiken-und-wenig-mut_ID_4396190.html
Nachhaltigkeit ist ein Leitbild, an dem sich auch die Haushaltspolitik orientieren sollte. Eine nachhaltige Haushaltspolitik bedeutet, den kommenden Generationen einen finanz-, sozial- und gesellschaftspolitischen Gestaltungsspielraum zu vererben. Deshalb muss es darum gehen, Schuldenabbau, Schuldentragfähigkeit und gezielte, unverzichtbare Investitionen in eine gesunde Balance zu bringen, die über den Tag hinaus weist. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang auf einen aktuellen Antrag der Grünen Bundestagsfraktion hinweisen:
„Heute für morgen investieren – Damit unsere Zukunft nachhaltig und gerechter wird“
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/046/1804689.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Cem Özdemir