Frage an Cem Özdemir von Alexander H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Özdemir,
in Leipzig haben Sie sich am vergangenen Wochenende auf dem sächsischen Landesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen mit den Worten „Wir wollen dafür sorgen, dass dieser Schandfleck FDP verschwindet.“ an die dortigen Delegierten gewandt. (Quelle: http://www.sz-online.de/sachsen/gruenen-spitze-wiedergewaehlt-2754706.html ).
Nicht nur als Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen bin ich von dieser Äußerung mehr als irritiert. Natürlich ist auch mir klar, dass es im Wahlkampf im politischen Wettbewerb rhetorisch auch mal härter zugehen kann. Doch ich bin davon überzeugt, dass es gewisse Grenzen gibt. Grenzen, die von allen ernst zu nehmenden Parteien respektiert werden sollten. Dazu zählte für mich auch stets, dass man politische Wettbewerber zwar in sachpolitischen Fragen hart angehen kann, ihnen jedoch niemals aus purer Abscheu ihre Daseinslegitimität abspricht. Geschweige denn, explizit dazu aufzurufen, sie aus dem politischen Wettbewerb komplett verdrängen zu wollen. Schließlich repräsentieren sie immer einen Teil unserer Bevölkerung mit seinen meist legitimen Anliegen und Ideen.
Gerade vor dem Hintergrund, dass ich als Bundesvorsitzender Tag für Tag versuche, junge Menschen den bereichernden Wert der Toleranz gegenüber unterschiedlichen Meinungen nahe zu bringen, bestürzt mich Ihre Äußerung. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass Sie in Leipzig zwar offenbar klar für das parlamentarische Aus der FDP geworben haben, zur ebenfalls im Landtag vertretenen, extremistischen und ausländerfeindlichen NPD jedoch kein Wort verlieren wollten. Empfinden Sie es nicht auch als unangebracht, einerseits gegen eine demokratische und tolerante Partei Stimmung zu machen, zugleich jedoch zur NPD zu schweigen?
Auf diese Fragen hätte ich von Ihnen gerne eine Antwort. Zeigen Sie Liberalität und ein Mindestmaß an Toleranz gegenüber anderen politischen Wettbewerbern und nehmen Sie Ihren unangebrachten Aufruf zurück!
Mit freundlichen Grüßen,
Alexander Hahn
Sehr geehrter Herr Hahn,
in einer politischen Rede in Sachsen habe ich an einer entsprechenden Stelle "FDP" gesagt - es war offenkundig, dass ich die "NPD" gemeint habe. Es war ein Versprecher im Eifer des Gefechts. Es ist mir weder selbst aufgefallen noch wurde ich darauf hingewiesen, sonst hätte ich das umgehend vor Ort klar gestellt. Demokratische Parteien und ihre Mitglieder sind für mich auch keine Feinde, wir sind Konkurrenten. Entsprechend ist die FDP für mich demokratischer Mitbewerber, manchmal Ärgernis, wie sicher auch umgekehrt, aber unter keinen Umständen ein Schandfleck - das allerdings ist die NPD und die gehört raus aus dem Sächsischen Landtag. Davon müssen wir die Wählerinnen und Wähler mit unseren Argumenten überzeugen. Und darauf sollten wir uns als Demokraten auch konzentrieren.
Mit freundlichen Grüßen
Cem Özdemir