Frage an Cem Özdemir von Markus S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Özdemir,
ich bewundere Ihren Einsatz für die vor 150 Jahren von den zaristischen Truppen vertriebenen Tscherkessen. Ich denke, das Thema war überfällig und die zeitliche Nähe zur Olympiade in Sotschi ist rein zufällig.
Darf ich von Ihnen erwarten, daß Sie sich bei Ihrem nächsten Besuch der Vereinigten Staaten von Amerika um die Hinterbliebenen der etwa im gleichen Zeitrahmen (zwischen 1830 und 1890) vernichteten 90 Prozent der amerikanischen Ureinwohner verdient machen und um die von ihnen, die von Völkermord, Landraub und Diskriminierung betroffen waren? Derlei Aufarbeitung sehe ich in den USA nicht.
Vielen Dank im voraus für die Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Söderling
Sehr geehrter Herr Söderling,
die Olympischen Spiele in Sotschi bieten ein kurzes Zeitfenster, um auf das Schicksal der Tscherkessen und der Region aufmerksam zu machen. Ich hoffe, dass diese Gelegenheit an vielen Stellen dazu genutzt wird, Fragen zu stellen, auf die bestehenden Probleme hinzuweisen, sich für das geschichtliche und kulturelle Erbe sowie für Umwelt und Natur im Umfeld der Sportgroßveranstaltung zu interessieren. Umso mehr, da die Veranstalter weiterhin eine adäquate Repräsentation der dortigen Urbevölkerung ablehnen. Bei den Spielen in Vancouver und Sydney beispielsweise gab es auch ähnliche Debatten, aber auch mehr Engagement und eine bessere Einbindung betroffener Bevölkerungsgruppen.
Sie haben Recht, wenn Sie auch auf das Schicksal anderer Ureinwohner und das Leid, dass sie erlebt haben, hinweisen. Das sollte aus meiner Sicht aber nie als Vorwurf ankommen im Sinne: "Hier engagieren Sie sich, aber dort tun Sie es nicht." Solch ein Vorwurf kann letztlich quasi immer und bei jedem angebracht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Cem Özdemir