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Cem Özdemir
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Eberhard R. •

Frage an Cem Özdemir von Eberhard R. bezüglich Finanzen

Frage 1 :
Warum sollte ich auf mein Vermögen eine Abgabe bezahlen, es rekrutiert sich aus schon versteuerten Einkommen (abhängig und unabhängig) ?

Frage 2 :
Wie stehen Sie dazu, dass Einkommen aus Kapital (Aktiengewinne, Zinsen, ...) zu maximal 25 % versteuert wird und Einkommen aus Vermietung und Verpachtung zum individuellen Steuersatz ? Haben Sie Pläne das gleich zu ziehen zu dem jeweiligen individuellen Steuersatz ?
(Beachten Sie bitte, dass Menschen mit hohem Einkommen üblicherweise auch hohe Kapitalerträge haben)

Frage 3 :
Das Lebensmodell von meiner Frau und von mir basierte darauf, dass Sie ´Haus und Familie´ gemanaged hat und ich extern (als Angestellter) Geld verdient habe. Basis dazu war nun auch das Splitting-Modell.
Resultat dieses Modells ist, dass ich nun eine Firmenrente erhalte, die wir eigentlich beide verdient haben, denn Sie hat eben ´Haus und Familie´ gemanaged und damit mir ermöglicht (viel) Geld zu verdienen.
Bei Aufheben des Splitting-Modells würde ich nun € 500.- mehr ESt bezahlen, warum das denn ? Wir können ja nun als Rentner unser Lebensmodell nicht mehr revidieren.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Roller,

zu ihrer ersten Frage:
Seit 2005 ist die Staatsverschuldung in Deutschland um 500 Mrd. Euro auf über 2000 Mrd. Euro angestiegen. Schwarz-Gelb hat alleine im Bund seit 2009 100 Mrd. Euro neue Schulden gemacht. Dem stehen immer weiter wachsende Privatvermögen in den Händen weniger entgegen. Das private Vermögen ist auf 7 000 Mrd. Euro gestiegen, aber sehr ungleich verteilt: Ein Drittel gehört dem reichsten Prozent, zwei Drittel den reichsten zehn Prozent. Davor kann eine verantwortliche und gemeinwohlorientierte Politik nicht die Augen verschließen. Wir wollen den nachkommenden keinen riesigen Schuldenberg hinterlassen, auch sie sollen selbstbestimmt Ihr Leben gestalten können. Deshalb wollen wir eine Vermögensabgabe einführen, deren Mittel zweckgebunden in den Schuldenabbau fließen. Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge unterliegen 330.000 bis maximal 340.000 Menschen der grünen Vermögensabgabe. Dies ist weniger als ein Prozent der Bevölkerung! Die Vermögensabgabe wird befristet und einmalig eingeführt. BürgerInnen, die mehr als eine Millionen Euro Nettovermögen haben, sollen über eine Laufzeit von 10 Jahren einen jährlichen Abgabesatz von 1,5 Prozent auf ihr Vermögen zahlen. Betriebsvermögen werden durch angemessene Freibeträge geschützt. Zudem ist sichergestellt, dass die Abgabe aus dem laufenden Gewinn geleistet werden kann. Eine Substanzbesteuerung bei Betriebsvermögen ist ausgeschlossen.

zu Ihrer Frage 2:
Die Abgeltungsteuer, eingeführt durch CDU/CSU und SPD, wollen wir abschaffen. Kapitalerträge werden heute nur noch mit 25% pauschal und anonym besteuert, anders als Lohneinkommen, das dem vollen Einkommensteuersatz unterliegt. Das ist ungerecht, denn es bevorzugt Menschen mit hohen Zinseinkommen. Wir wollen Kapitalerträge wie Arbeitseinkommen besteuern.

zu Ihrer Frage 3:
Wir wollen die Familienförderung in Deutschland neu ausrichten und Kinder in den Mittelpunkt staatlicher Förderung stellen. Das Ehegattensplitting nützt Kindern, die bei Alleinerziehenden oder bei unverheirateten Paaren aufwachsen, leider nichts. Das halten wir für ungerecht - aus unserer Sicht sollen Kinder gefördert werden, nicht die bloße Ehe als solches. Deshalb wollen wir das Ehegattensplitting schrittweise und sozial verträglich abschmelzen. Das dadurch frei werdende Geld wird vollständig (!) in bessere Schulen und Kitas und den Aufbau einer Kindergrundsicherung investiert. Aus unserer Sicht ist die beste Investition in die Zukunft unseres Landes, damit wir auch künftig unseren Wohlstand bewahren und ihn nachhaltig erwirtschaften können.

Uns ist bewusst, dass es hier um Lebensmodelle geht, die nicht einfach geändert werden können. Auch sollte Politik dabei zurückhaltend sein, Menschen einen Lebensentwurf vorzuschreiben. Doch zugleich ist es Aufgabe von Politik, zu gestalten und über gesellschaftliche Mehrheiten entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen. Genau dafür werben wir in diesem Wahlkampf.

Auch schaffen wir das Ehegattensplitting nicht über Nacht ab. Wir wollen es vielmehr schrittweise durch eine Individualbesteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag ersetzen. Das heißt, dass auf längere Sicht Verheiratete und Verpartnerte für ihre PartnerInnen nur noch jenen Betrag von der Steuer absetzen können, der erforderlich ist, um das Existenzminimum des Partners zu decken. Wenn also einE PartnerIn kein eigenes Einkommen hat, muss der/die andere PartnerIn einen Betrag in Höhe des Grundfreibetrages zusätzlich nicht versteuern.

Es soll zusätzlich ein Splittingvorteil von bis zu 1.500 Euro pro Jahr in der Einkommensteuer und 200 Euro beim Solidaritätszuschlag erhalten bleiben. Dadurch wird sichergestellt, dass Ehen nicht von einem Tag auf den anderen immense finanzielle Einschnitte hinnehmen müssen. Haushalte mit einem Bruttoeinkommen von unter 60.000 Euro sind daher zunächst nicht betroffen. Mit der Berücksichtigung des Grundfreibetrages wird im Falle einer Alleinverdiener-Ehe maximal insgesamt ein Splittingvorteil von 6.200 Euro erhalten. Zum Vergleich: der durchschnittliche Splittingvorteil liegt derzeit bei etwa 1.100 Euro. Mit diesen Maßnahmen gewährleisten wir, dass Paare mit niedrigem oder mittlerem Einkommen ihre Vorteile aus dem Splitting erhalten und zunächst nur Paare betroffen sind, die die höhere Steuerzahlung auch leisten können.

Wir halten es derzeit für realistisch, diesen Splittingdeckel schrittweise innerhalb von zehn Jahren abzubauen. Wir werden dabei prüfen, wie sich durch unsere Reformen die Lebensqualität von Familien und insbesondere die Erwerbssituation von Frauen verändert. So schaffen wir eine Übergangszeit, die es den Paaren ermöglicht, sich auf die neue Situation einzustellen. Es bleibt aber auch nach vollendeter Reform beim übertragbaren Grundfreibetrag und damit bei einem Splittingvorteil von bis zu 4.500 Euro.

Für weitere Informationen darf ich Sie auf unsere Website verweisen.
Dort finden Sie auch konkrete Rechenbeispiele:
http://www.gruene.de/themen/wirtschaft-arbeit/das-steuerkonzept-der-gruenen-mit-rechenbeispielen.html

Mit freundlichen Grüßen

Cem Özdemir

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