Frage an Cem Özdemir von Jörg J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Hr. Özdemir,
heute morgen konnte ich mit Freude vom Optimismus ihrer Parteikollegin Andreae lesen, die für die Grünen bei der anstehenden Bundestagswahl hier in Baden-Württemberg 20 % Stimmenanteil für möglich hält. Ihnen selbst wird allgemein zugetraut in Stuttgart sogar das Direktmandat zu erringen.
Grüne Lokalpolitiker haben sich in der Vergangenheit für eine legalisierte Downhillstrecke für Mountainbiker in Stuttgart stark gemacht. Daraus und aus verschiedenen Äußerungen grüner Landespolitiker in der Vergangenheit hatten wir Mountainbiker große Hoffnungen geschöpft und meinten mit dem Regierungswechsel 2010 wären nun auch die Weichen für eine Legalisierung unseres Sports hier im letzten „gallischen Dorf“ der Wegbreitenbeschränkung gestellt.
Leider erhalten wir auf Anfrage an diverse grüne Landespolitiker meist nur standardisierte negative Bescheide die die Argumente des Ministeriums für ländlichen Raum wiedergeben. Argumente die einer näheren Überprüfung nicht standhalten. Bisher konnte kein Nachweis erbracht werden wie Minister Bonde zu der Ansicht kommt, die 2-m-Regelung in Baden-Württemberg hätte sich bewährt.
Mit Erschrecken stellen wir fest, dass im Laufe der Jahre aus der Wegbreitenregelung als Klientelpflege der CDU (O-Ton Parteifreund Buchter von den Grünen) mittlerweile für das „grüne“ Ministerium ein bewährtes Instrument des Interessenausgleichs geworden ist, das nicht hinterfragt wird. Sondern mit „Die Wandererverbände in Baden-Württemberg lehnen eine Aufhebung der Zwei-Meter-Regelung deshalb nachdrücklich ab.“ begründet wird.
Müssen wir nun zukünftig davon ausgehen dass im Zuge des Großprojekts Nationalpark Nordschwarzwald die Wegbreitenregelung als Morgengabe bei der Zweckhochzeit mit den Wandervereinen dient und wir uns dauerhaft von der Hoffnung auf eine legale Ausübung unseres Sports hier in Baden-Württemberg verabschieden können?
Weiterhin erfolgreichen Wahlkampf!
Sehr geehrter Herr Jäger,
da ich eine ähnlich lautende Frage bereits beantwortet habe, hoffe ich auf Ihr Verständnis, wenn ich meine Antwort an dieser Stelle weitgehend wiederhole.
Ich verstehe, dass dieses Thema die Gemüter erhitzt. Da stehen verschiedene berechtigte Belange im Raum, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Das ist leider nicht immer leicht. Auch hat hier das Land die Gesetzgebungskompetenz.
Wir GRÜNEN setzen uns ein für eine Erweiterung und Vernetzung der Mountainbike-Wegenetze insbesondere in den Mittelgebirgen. Berücksichtigt werden müssen hierbei gleichwohl auch die Interessen von Wanderern, Reitern und dem Naturschutz. Der Wald in Baden-Württemberg wird landesweit intensiv durch Erholungssuchende genutzt. Die Nutzung durch verschiedenste Sportarten neben Spaziergängen und Wanderungen ist jedoch nicht konfliktfrei. Immer wieder kommt es zu schweren, meines Wissens teils sogar tödlichen Unfällen. Konflikte entstehen, wenn auf schmalen Wegen der gefahrlose Begegnungsverkehr nicht mehr möglich ist. Nach § 37 Abs. 3 S. 3 Landeswaldgesetz ist das Radfahren auf Wegen unter 2 m Breite daher untersagt.
Mit dem Ziel, eine Verbesserung der radtouristischen Attraktivität für eine zunehmende Zahl von Mountainbikerinnen und Mountainbikern zu schaffen, wurde nun ein Strategiepapier zur Verbesserung des Mountainbike-Wegenetzes im Schwarzwald erarbeitet (gemeinsam von Schwarzwald-Tourismus GmbH, beiden Naturparken, dem Schwarzwaldverein und dem Landesbetrieb ForstBW). U.a. sollen Singletrail-Strecken verstärkt ausgewiesen werden. Ab 2014 werden in den Schwarzwald-Naturparken Pilotprojekte zur Ausweisung von Singletrails begleitet. Von besonderem Interesse ist es, ob es gelingt, gegenseitige Störungen zu verringern, das Unfallrisiko zu mindern und gleichzeitig die Fahrrad- und Mountainbike-Attraktivität zu steigern.
Die bestehende 2-m-Regelung hat sich nach meinem Kenntnisstand durchaus bewährt, doch natürlich kann ich den Unmut mancher RadfahrerInnen nachvollziehen. Studien, die von KritikerInnen angeführt werden, kenne ich nicht im Detail, aber sie sollten bei einer fortwährenden Evaluation für eine flexible Handhabe berücksichtigt werden. Auch sollte berücksichtigt werden, wie andere Bundesländer mit der Problematik umgehen und welche Lösungen sich dort bewährt haben. Eine flexible Handhabung über Ausnahmeregelungen ist dort möglich, wo eine Entflechtung des Besucherverkehrs angestrebt wird oder das Unfallrisiko gering ist. Im Rahmen des im Schwarzwald gestarteten Pilotprojekts wird zu prüfen sein, ob ein Abbau von Konflikten und Risiken durch eine Entflechtung des Erholungsverkehrs bewirkt werden kann.
Ich danke Ihnen für Ihre guten Wünsche und hoffe auf Ihre Unterstützung.
Mit besten Grüßen
Cem Özdemir