Frage an Cem Özdemir von Reinhard L. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Özdemir,
vielen Dank für Ihre Antwort vom 18.09.2009 zum Thema Altenpfleger / innen.
Im letzten Satz Ihrer Antwort schreiben Sie: "Zugleich setzen wir uns dafür ein, dass die wichtige Arbeit der Altenpfleger / innen in unserem Land anerkannt und gewürdigt wird."
Unklar bleibt, ob Sie damit - so wie Sie es bei den Erziehern / innen tun - auch eine bessere Bezahlung anstreben. Insoweit bitte ich noch um eine ergänzende Klarstellung.
Mit freundl. Gruß
R.Ley
Sehr geehrter Herr Ley,
wir Grüne halten den Mindestlohn in der Pflege - für den wir uns lange eingesetzt haben - für unerlässlich, um Lohndumping zu vermeiden. Der Mindestlohn wird besonders dann auch an Bedeutung gewinnen, wenn Deutschland 2011 seine Grenzen für die EU-Mitgliedsstaaten aus Osteuropa öffnet. Grundsätzlich aber darf die Diskussion um Lohnuntergrenzen nicht zu einer Vernachlässigung verlässlicher Tariflöhne in der Pflege führen. Den Tarifpartnern kommt hierbei eine zentrale Schlüsselrolle zu.
Der Bedarf an Pflegekräften wird in den kommenden Jahren extrem ansteigen. Die Deutsche Bank schätzt auf Grundlage von Studien einen Mehrbedarf an Pflegekräften in Deutschland von heute 815.000 auf 2 Mio bis zum Jahr 2050. Primär ergibt sich dieser Bedarf aus der Zunahme von Altererkrankungen, Pflegebedürftigkeit und der Abnahme des familiären Pflegepotenzials. Gleichzeitig aber sind Pflegekräfte schon heute quasi Mangelware. Nach aktuellen Angaben der Bundesagentur für Arbeit sind derzeit in der Altenpflege 22.000 Stellen und in der Krankenpflege 19.000 Stellen offen. Diese Problematik wird sich durch einen Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter künftig noch verschärfen (Gesamtproblematik wird alle EU-Mitgliedsstaaten betreffen). Es wird zu verstärktem Konkurrenzkampf um qualifizierte Pflegekräfte kommen - der nicht zuletzt über die Höhe der gezahlten Gehälter entschieden wird. Ohne eine deutliche Anhebung der Löhne und Gehälter für Pflegekräfte wird dieser Beruf, der in hohem Maße Körper und Psyche beansprucht, künftig immer seltener von Menschen gewählt. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Vielmehr bedeutet mehr gesellschaftliche Anerkennung für Pflegerinnen und Pfleger natürlich auch eine faire Bezahlung. Außerdem auch Aufstiegschancen und ein positives Bild in der Öffentlichkeit. Dann werden sich auch motivierte junge Menschen für diese immer wichtiger werdenden Berufe begeistern.
Um Pflegekräfte besser zu entlohnen wäre ein erster Schritt die Verbreiterung der Einnahmebasis im Gesundheits- und Pflegesektor durch Einführung einer Bürgerversicherung in beiden Versicherungszweigen. Da Pflege eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist (aber auch eine wachsende Wirtschaftskraft), ist auch die Pflegebürgerversicherung, in die alle nach ihrer Leistungsfähigkeit einzahlen und für die alle Einkommensarten einbezogen werden, nur sozial gerecht.
Mit freundlichen Grüßen
Cem Özdemir
http://www.cem-stuttgart.de