Frage an Carsten Werner von Jens B. bezüglich Innere Sicherheit
Hallo Herr Werner,
Ist das tatsächlich wahr und entspricht den politischen Tatsachen daß die GRÜNEN sich von einer Friedenspartei, die absolut gegen militärische Einsätze war sich zu einer Partei entwickelt hat, die in "Ausnahmefällen" militärische Einsätze befürwortet und befürwortete , welche ja nun auch Menschenleben, auf welcher Seite auch immer, vernichtet/vernichtet haben !? Viele junge Menschen fragen mich das immer wieder. Da ich da nichts falsches darüber sagen will, bitte ich Sie mir hiermit, als Stellvertreter dieser Partei eine klare Antwort, die ich an die nächste ( nicht nur kirchliche) Generation weitergeben kann und die durch einen Grünen "abgesegnet" ist, damit ich da nichts falsches erzähle.
Vielen Dank !
Freundliche Grüße , Jens Schuchert
Sehr geehrter Herr Schuchert,
herzlichen Dank für Ihre Frage - die natürlich nicht so einfach mit Ja oder Nein zu beantworten ist. Ich habe den Kriegsdienst verweigert - und manchmal fühle ich mich bei solchen politischen Fragen heute an die Fragen erinnert, die wir damals in den 80er Jahren beantworten mussten, um unsere Gewissensnot zu "beweisen". Ich will damit nicht Ihre Frage entwerten - aber ich möchte um Verständnis werben, wie komplex Entscheidungsfindungen für mich sind und sein müssen. Gerade wenn etwas an eine jüngere Generation zu übermitteln ist, wäre mir das immer das wichtigste am Bild von Politik und PolitikerInnen: dass es für alle Entscheidungen mehr als eine Wahrheit gibt, dass es oft um Mehrheiten und deshalb sehr oft auch um Kompromisse, Bedingungen, Vermeidung von Schlimmerem, Durchsetzung von möglichst Vielem geht. Dazu gehört, sich viele sachliche, auch taktische, aber auch sehr persönliche Positionen anzuhören und sich damit auseinanderzusetzen: Da knirscht es auch mal in engen Freundschaften sogar. Deshalb kann ich Ihnen, obwohl Sie so klar darum bitten, keine in Ihrem Sinne "klare" und schon gar keine "abgesegnete" Antwort geben. Ich kann Ihnen nur berichten: Ich habe keine Partei gefunden, in der mehr und genauer, emotionaler und persönlicher, moralischer und detaillierter um Entscheidungen gerungen wird - um jede einzelne, immer wieder von vorne. Es gibt da nichts Letzgültiges und nichts Abgesegnetes.
Was ich Ihnen aus meiner vor allem landes- und kommunalpolitischen Arbeit persönlich versichern kann und will: Ich mache mir keine Entscheidung leicht. Ich bin oft hin und her gerissen zwischen emotionalen, moralischen und sachlichen Argumenten und Positionen. Für mein Tätigkeitsfeld und den Aktionsradius der Bremischen Bürgerschaft als Stadt- und Landesparlament sind Entscheidungen über Menschenleben und Tod, über militärische Einsätze ja sehr unwahrscheinlich - andererseits bin ich natürlich an programmatischen und personellen Entscheidungen der Bundespartei zumindest per Abstimmung beteiligt. Ich kann klar sagen: Ich bin gegen die Todesstrafe. Ich bin auch gegen Krieg als politisches Mittel und Militär als politisches Werkzeug. Ich will nicht ausschließen, dass ich in Fällen einer konkreten Gefahrenabwehr, konkreter Bedrohung von Menschenleben, auch dem Einsatz von staatlicher Gewalt zustimmen, dafür plädieren oder notfalls sogar dafür entscheiden würden. Der Staat hat das Gewaltmonopol - und das schließt auch ihren möglichen Einsatz ein. Wer sich auf staatliches Handeln einlässt, und das tue ich als Politiker ja schon durch eine Kandidatur und erst recht durch die Übernahme von Verantwortung nach einer Wahl, der kann das nicht verleugnen und muss sich dem stellen. Moralisch kann das leicht eine Zwickmühle werden - das ist mir klar.
Ich hoffe, dass Sie mit meiner Antwort und meinem Appell an Differenzierung und Diskussion etwas anfangen können - auch wenn sie vielleicht nicht in dem Sinne "klar" sind, wie Sie sich das wünschen. Aber alles andere wäre für mich etwas, das ich fast genauso verabscheue wie Gewalt: Populismus, dessen Wahr- und Reinheitsgehalt ich nie belegen könnte oder müsste.
Mit besten Grüßen,
Ihr
Carsten Werner