Frage an Carsten Werner von Cerno T. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Werner,
ich interessiere mich für ein Architekturstuium in Bremen und möchte gerne von Ihnen wissen:
Wie wollen Sie genug Neubauwohnungen in Bremen schaffen, ohne auch Naturflächen zu opfern? Oder welche werden die ersten Grünzüge sein, auf die die Grünen nach der Wahl verzichten werden, um dort Wohnungsbau zu treiben?
Außerdem würde ich gerne wissen, wie Sie genossenschaftliches Wohnen und Bauen konkret fördern wollen. Bisher ist es da ja leider bei Ankündigungen geblieben.
Warum fördert der grüne Bausenator lieber alteingesessene Bremer Bauunternehmen als innovative Ansätze?
Wie wollen Sie öffentliche Grünanlagen und Straßen sinnvoll entwickeln, wenn beim Umweltbetrieb immer mehr Personal eingespart wird?
Mit besten Grüßen,
C. T.
Sehr geehrter Herr T.,
in Bremen gibt es noch erhebliches Potential an jetzt schon nicht mehr oder perspektivisch nicht mehr genutzten Gewerbeflächen - so zum Beispiel im vorderen Woltmershausen, auf dem BWK-Gelände, in der Vegesacker City, und auch noch in der Überseestadt und im gerade begonnenen Baugebiet in Oberneuland. Diese wollen wir für den Wohnungsbau und Wohnnutzungen entwickeln. Es ist mit dem neuen Bremer Flächennutzungsplan erstmalig gelungen, nicht zusätzliche Naturflächen am Stadtrand als Bauland auszuweisen. Das ist ökologisch wichtig und darauf sind wir stolz - das gelingt anderen Städten nicht so effektiv.
Die Nachfrage nach Wohnungen ist ja auch gerade in den citynahen Stadtteilen so hoch, dass dort die Immobilien- und Mietpreise steigen. Auch in Bestandsimmobilien können Wohnungen statt Büros und anderer Gewerbenutzungen entwickelt werden. Dazu haben der Bau- und der Wirtschaftssenator mit der Handelskammer eine Studie angefertigt, die große Potentiale ausgemacht hat - direkt in der Bremer City: Am Wall, im Stephanieviertel, in der Bahnhofsvorstadt. Die Entwicklung des Postamt 5 geht jetzt mit Studierendenwohnungen weiter, das Bundeswehrhochhaus wird mittelfristig eine große Zahl von Wohnungen aufnehmen können. Perspektivisch - nicht gleich in den nächsten Monaten, aber in einem Zeithorizont von 10oder 15 Jahren, werden sich die Wirtschaft, die Häfen und die Stadtteile wieder weiter entwickelt haben - und es werden weitere Potentiale sichtbar und nutzbar werden. Insofern bedeuten Innenentwicklung und "Innenverdichtung" nicht nur Lückenbebauungen - sondern die strategische Planungen von Wohnlagen. Das kann auch innerstädtische Brachen und ungenutzte Grünflächen betreffen wie derzeit in Oberneuland oder für die Gartenstadt Werdersee in Huckelriede - aber nicht Naturgebiete in den Grüngürteln um die Stadt herum.
Im Sinne einer guten Nahversorgung setzen wir dabei auf Mischgebiete in der inneren, erschlossenen und gebauten Stadt. Die Grünen stehen dafür, die Möglichkeiten des Wohnungsbaus dabei konsequent auszuloten.
Für Genossenschaften und Baugruppen haben wir in dieser Legislaturperiode eine Baugruppenberatung beim Senator für Bau und Stadtentwicklung sowie eine (nicht nur aufs Bauen bezogenen) Genossenschafts-Beratung beim Wirtschaftssenator und der Aufbaubank eingerichtet. Bei den großen Bauvorhaben werden Flächen und Gebäude für Bau- und Wohn-Gruppen reserviert und bevorzugt nach Konzept vergeben, nicht nach Höchstpreisgebot.
Mein Eindruck ist, dass die Möglichkeiten für und vor allem auch die Chancen von gemeinschaftlichem Wohnen, Bauen, Entwickeln und Leben im Quartier in Bremen noch viel bekannter und akzeptierter werden müssen. Das ist nicht nur eine Frage der Förderung, sonder auch der gelebten Praxis und guter Beispiele. Wir werden in Bremen noch einige Zeit konsequent am Thema gemeinschaftlichen Wohnens und Bauens arbeiten und auch dafür werben müssen, um eine kritische Masse an gelebter Praxis zu schaffen und so erlebbar zu machen, was gemeinsames Wohnen und gelebte Nachbarschaften nicht nur für die Wohnungsgrundrisse bedeuten können, sondern z.B. auch für die direkte Nahversorgung im Quartier, für autoarme oder -freie Quartiere, für nachbarschaftliche und generationenübergreifdende Hilfen. In allen drei Bereichen - Beratung, Planung und Förderung - haben wir in den vergangenen drei Jahren sehr viel bewegt. Ich bin aber sicher, dass wir das noch verstärken müssen - und dass diese konzeptionelle Konkurrenz und Ideenwerkstatt auch den "alteingesessenen Bremer Bauunternehmen" gut tun wird.
Die öffentlichen Freiräume und Grünanlagen wollen wir - im Zusammenhang mit dem Wohnungsbau in den großen neuen Wohnbauprojekten - von vorneherein in die Quartiersplanungen einbeziehen und dabei auch neue nachbarschaftliche und gemeinnützige Trägermodelle entwickeln und erproben.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Carsten Werner