Frage an Carsten Werner von Ole J. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Werner,
warum setzt sich der Kultursenator nicht für die vielen jungen Kulturinitiativen ein, die Sie und andere Kulturpolitiker immer wieder in Sonntagsreden loben und unterstützen? Warum es nicht möglich für den Zucker-Club, Sportamt-Ini, die MS Stubnitz, die Stauerei-Konzerte langfristige Lösungen zu finden, nachdem schon das Wehrschloss und zuletzt die Dete in der Neustadt zumachen mussten? Alle berichten, dass sie von Amt zu Amt gehetzt werden - und am Ende immer steht, dass es keine Lösung gibt.
Wie werden sie Zwischennutzungen bei der Konsolidierung helfen?
Was planen Sie für die Diskomeile?
Wie stehen Sie zu der Idee eines "Internet-Museums" in Bremen?
Mit freundlichen Grüßen,
O. J.
Sehr geehrter Herr J.,
Ihre Fragen an den Kultursenator müssten Sie bitte an den Kultursenator stellen ;-)
Aber wir loben die von Ihnen genannten Kulturinitiativen nicht nur in Reden, die Grünen tun auch Einiges für sie - dazu gleich mehr. Oft sind die Kulturbehörde und der Kultursenator für die Anliegen der Initiativen gar nicht zuständig, sondern z.B. die Bauaufsicht, das Stadtamt oder die Wirtschaftsförderung. In der Tat ist da mit der Zeit eine Lücke entstanden, die wir nach der Wahl schließen müssen: Ich setze mich dafür ein, dass es für die baurechtlichen und andere Genehmigungs-Fragen in Zukunft eine zentrale Anlaufstelle und Ansprechperson gibt, die kulturelle und auch teilweise kulturelle Nutzungen und Anliegen "kultursensibel" betreut, berät und begleitet. Es darf nicht regelmäßig passieren, dass Akteure mit ihren Anfragen, Anträge und Ideen zwischen Behörden und Ämtern hin und her geschickt werden. Wenn ein Projekt kommerzielle UND künstlerische Elemente, kulturelle UND soziale Aspekte beinhaltet, dann muss allen Aspekten Rechnung getragen werden. Es gibt in den bestehenden rechtlichen Regelungen viele Möglichkeiten, künstlerische, stadtkulturelle und soziokulturelle Vorhaben zu unterstützen - die müssen auch von Seiten der Stadt konstruktiv und kreativ genutzt werden; auch wenn ein ausgesprochenes "Nein" manchmal bequemer erscheinen mag als das Um- und Durchsetzen eines "Ja, aber ...". Denn stadt- und soziokulturelle Ideen und Angebote sind ein wichtiger Beitrag zum Gemeinwohl - und entsprechend müssen sie auch behandelt werden.
Meiner Ansicht nach wäre es daher auch sinnvoll, die Kulturbehörde viel, viel enger und konkreter als bisher mit dem Senator für Stadtentwicklung zu verknüpfen und zu verbinden.
Zu den einzelnen genannten Initiativen: Unsere Grünen-Fraktion und ich persönlich haben den Senat und die Behörden in einer ganzen Reihe von Anfragen, Reden und Gesprächen gemahnt, die "Zuckerwerk"-Initiative zu unterstützen. Dafür ist Geld der Wirtschaftsförderung reserviert und dafür wird dringend ein Raum gesucht. Letztendlich hängt der Erfolg dieser Raumsuche auch davon ab, wie tolerant und respektvoll die Stadtgesellschaft gegenüber einem solchen Projekt eingestellt ist - bisher gab es vielfach Widerstände von benachbarten Anwohnern oder Wirtschaftsbetrieben. Vor allem für letztere bin ich skeptisch, ob die Vorbehalte immer berechtigt sind: Ein Strukturwandel kann dadurch sicher nicht aufgehalten werden.
Für die MS Stubnitz ist das leider nicht gelungen; ich hatte mich dafür eingesetzt und hätte eine Ansiedlung in Woltmershausen oder in der Überseestadt sehr gut gefunden; übrigens auch fürs "Zucker". Hamburg war da nun pfiffiger.
Die Stauerei-Konzerte in der Überseestadt meinen Sie? Die wurden meines Wissens schon vor Jahren eingestellt mit der Auflösung des Jungen Theaters, das der Veranstalter war.
Dass aus dem Wehrschloss statt einer wenigstens teilweise soziokulturellen Nutzung eine Systemgastronomie geworden ist, finde ich höchst bedauerlich. Die Entscheidungen und Verfahren dazu konnten wir in dieser Legislaturperiode leider nicht mehr ändern. - Wir können und müssen daraus aber lernen, dass städtebauliche und stadtkulturelle Ansprüche an private Investoren gerade bei so exponierten Gebäuden bei Vergabe, Bau- und Nutzungsgenehmigung viel verbindlicher vertraglich festgelegt und durchgesetzt werden müssen, als das beim Wehrschloss der Fall war. Die "Dete" war von vornherein als private Zwischennutzung vorgesehen - das war kein städtisches Gebäude und die Nutzung wurde auch nicht untersagt.
Ich setze mich gerade aktuell dafür ein, dass das ehemalige Sportamt in der Pauliner Marsch auch in Zukunft soziokulturell genutzt werden kann:
Der Ort und die Lage sind dafür gut und können das gut gebrauchen: siehe
http://www.gruene-fraktion-bremen.de/parlament/parlamentarische-initiativen/frage-klapstul-in-der-pauliner-marsch.html
und
http://www.gruene-fraktion-bremen.de/presse/stadtteilpresse/mitteoestliche-vorstadt/klapstul-kann-altes-sportamt-dieses-jahr-weiter-nutzen.html
- Dort muss aber die Hochwasser- und Überflutungslage praktisch und juristisch berücksichtigt werden. Auch dies erfordert eine sehr genaue, sensible und differenzierte Vereinbarung.
Nachdem Bremen in den vergangenen sieben Jahren eine vorbildliche und sehr innovative Zwischennutzungs-Strategie verfolgt hat, zeigt sich jetzt, dass sich aus Zwischennutzungen manchmal auch Folge- und Umnutzungen entwickeln können. Das ist ja durchaus erfreulich und deshalb müssen wir uns darum in Zukunft auch politisch stärker kümmern. Die Grünen verstehen Zwischennutzungen nicht ausschließlich als temporäres Angebot - sondern auch als Hilfe zur Gründung von Start-Ups, zum Experimentieren mit neuen Wirtschafts- und Kulturformen, zur Entwicklung von Quartieren, beim Strukturwandel.
In dem von Ihnen zitierten Fall der "Dete" ist das aus meiner Sicht gut gelungen: Daraus haben sich Geschäftsideen und Formate entwickelt, die nun wieder anders an anderen Orten weitergehen: z.B. im "Kukoon" am Buntentorsteinweg oder im "Karton" in der alten Schnapsfabrik Am Deich. Darüber hinaus hat sich für mich als Politiker für Stadtentwicklung und Städtebau eingeprägt, wie wichtig die soziale Funktion so eines Ortes in der Nachbarschaft ist, wie sehr er auch von den Nachbarn gewünscht und befördert werden kann - dieser Eindrück e fließen in unsere Stadtentwicklungspolitik ein; die ist ja ein dynamischer, immer weiter lernender Przozess.
Auch mit dem "noon" ist ein Projekt aus einer Zwischennutzung im Lloydhof entstanden, das nun das Ostertor und das Bremer Theater bereichert und auf eigenen Füßen steht. Ich hoffe, dass der Lloydhof auch weiteren Projekten noch beim Start helfen kann.
Das "Radieschen" am Buntentorsteinweg ist aus einer Zwischennutzung entstanden und daraus wird nun eine reguläre Nachnutzung.
Die ZwischenZeitZentrale ist gerade von der Abfertigung in der Überseestadt umgezogen in die ehemalige Könneke-Wurstfabrik in Hemelingen. Die Musikszene und ihre Probenräume direkt nebenan können wir am Ort konsolidieren. Den Güterbahnhof wollen wir als kreatives Zentrum nach jahrzehntelanger Zwischennutzung ebenfalls mit den Nutzern konsolidieren - dazu haben wir Anfang des Jahres einen entsprechenden Antrag in der Bürgerschaft eingebracht und beschlossen:
http://www.bremische-buergerschaft.de/index.php?id=507&area=&np=&navi=informationsdienste6&npoint=7,1,1&titel=Ehemaligen+G%C3%BCterbahnhof+zwischen+Walle+und+City+weiterentwickeln&dn=D18S0621.DAT&lp=18&drucksachennr=18/621%20S&ppnr=PlPr+18%2F44+S+20.01.2015&buergerschaftart=2&edatum=2014-10-21&elementref=6040
Insgesamt muss aber auch klar sein, dass Zwischennutzungen nicht grundsätzlich verstetigt und institutionalisiert werden können und sollen - wenn regelmäßig dieser Eindruck entstehen würde, würden weder die Stadt noch private Immobilienbesitzer weiter entspannt Gebäude dafür anbieten. Die oben bereits genannte Anlaufstelle für kulturelle und teilkulturelle Nutzungen muss sich auch um dieses Thema kümmern.
Die Diskomeile soll in den nächsten Monaten und Jahren städtebaulich aufgewertet werden. Es wird dort mehr Licht, bessere öffentliche Räume und weniger Verkehr geben. Dazu haben wir in der Bürgerschaft diesen Antrag eingebracht und beschlossen, auf dessen Grundlage der Senat nun die weitere Entwicklung plant:
www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/Drs-18-274_S_ab0.pdf
Ideen für ein "Internet-Museum" in Bremen sind mir nicht bekannt. Da müssten Sie mich ggf. noch mal konkreter drauf hinweisen. Zur konkreten Digitalisierung von Kulturgut habe ich eine Kleine Anfrage an den Senat gestellt - mit dem Ziel, den Bremer Kultureinrichtungen und ihren Archiven demnächst einen möglichst leichten Zugang zur Deutschen Digitalen Bibliothek zu schaffen:
http://www.gruene-fraktion-bremen.de/parlament/parlamentarische-initiativen/kleine-anfrage-zeitgenoessisches-kulturelles-erbe-bremens-sichern-und-nutzbar-machen.html
Die Berliner Ideen für eine Science-Center finde ich persönlich spannend. Grundsätzlich finde ich, dass die Digitalisierung unseres Alltags und die Wirkungen und Folgen für Kultur und Kulturtechniken auch kulturpolitisch stärker wahrgenommen und bearbeitet werden müssen, als das derzeit in Deutschland insgesamt der Fall ist. Damit würde ich mich in der nächsten Legislaturperiode gerne intensiver beschäftigen, um ggf. für Bremen und die Bremer Kultur sinnvolle Schlüsse daraus ziehen zu können.
Beste Grüße,
Carsten Werner