Frage an Carsten Werner von Ulf W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie stehen Sie zu den Kernaussagen des Buches "Deutschland schafft sich ab" von Thilo Sarrazin bezüglich der derzeitigen deutschen Integrationspolitik?
Sehr geehrter Herrn Wenztien,
bis auf die “Kernaussage”, dass in Deutschland und Europa mehr und qualitativ besser über Integration gesprochen und gestritten werden muss, habe ich in den von Herrn Sarrazin in mehreren Vorab-Veröffentlichungen publizierten Texten keine echten “Kernthesen” seines Buches erkennen können. Das Thema Integration hat aber nicht Herr Sarrazin aktuell und dringend gemacht – das war und ist es schon lange. So hatte Bremen schon in den 90er Jahren mit Helga Trüpel eine Senatorin für Kultur und Ausländerintegration, die das Thema zu einem wichtigen Schwerpunkt ihrer Arbeit gemacht hat. Inzwischen wird überall in Deutschland qualifiziert an der Integration Zugezogener gearbeitet – mal mehr, mal weniger erfolgreich. Verschiedene Ansätze, Projekte und Versuche der Integrationsarbeit reiht Herr Sarrazin auch auch zitierend auf.
Das Buch selbst habe ich gekauft und angefangen, es zu lesen – es aber nicht zu Ende gelesen. Denn zunächst einmal finde ich es sprachlich schlecht geschrieben, wissenschaftlich fragwürdig angelegt – vor allem aber hat es eben keinen Kern, kein wirkliches Ziel, keine echten Vorschläge, die mit Integration zu tun hätten. Die Titel-These, Deutschland würde sich abschaffen, halte sich für krude zusammenkonstruiert. Herr Sarrazin versucht mit seinem Buch zu provozieren, um damit kommerziell erfolgreich zu sein. Das hat ja auch geklappt. Für dieses kommerzielle Ziel ganze Bevölkerungsgruppen zu verunglimpfen, finde ich schlimm.
Als Berliner Finanzsenator habe ich aus meiner journalistschen Arbeit und meinem Leben dort von Herrn Sarrazin keine Initiativen im Feld der Integrationspolitik in Erinnerung – vielmehr hat er als Regierungsmitglied vieles von dem mit getragen, verantwortet und finanziert, was er in seinem Buch kritisiert. Eine rationale, lösungsorientierte Debatte hat er auch mit seinem Buch – und vor allem dessen polemischer Vermarktung – leider eher verhindert als ermöglicht.
Mit freundlichen Grüßen,
Carsten Werner