Frage an Carsten Träger von Hans K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Träger,
würden Sie bei einer neuen Abstimmung für Finanzhilfen an Griechenland stimmen oder nicht.
Wären Sie ggf. bereit, für Ihre Entscheidung auch in persönlich zu haften?
Mit freundlichem Gruß
Hans Kellermann
Sehr geehrter Herr Kellermann,
die Ereignisse rund um das Thema Ihrer Frage überschlagen sich in diesen Tagen. Immer wieder verstreichen Fristen, immer wieder überrascht uns die griechische Regierung mit neuen Wendungen. Dennoch - damit Sie nicht noch länger auf eine Antwort warten - antworte ich Ihnen auf Basis des momentanen Entwicklungsstands wie folgt:
Für Griechenland, für die griechische Bevölkerung und nicht zuletzt für die Idee eines gemeinsamen Europas ist es unsere Verpflichtung als Politiker weiterhin eine konstruktive Lösung zu suchen. Mir zeigt die aktuelle Entwicklung, dass sowohl die griechische Regierung als auch die Regierungen der Euro-Länder gut beraten sind, die letzten fünf Jahre kritisch zu hinterfragen. Das Auftreten der griechischen Regierung in den letzten Wochen möchte ich an dieser Stelle nicht bewerten. Für die Gläubigerseite stelle ich fest: Die Politik der Rettungsprogramme hat trotz nie da gewesener Finanzhilfen unter dem Strich nicht funktioniert. Da gab es manche Illusionen, auch bei den Gläubigern. Dazu gehören die Überschätzung der staatlichen Strukturen und der Reformbereitschaft vorangegangener Regierungen in Griechenland ebenso wie die Vorstellung, dass allein Sparprogramme ohne gleichzeitige Investitionen ein Land aus der Krise führen können.
Umso bitterer ist es, dass der Abbruch der Verhandlungen durch die griechische Regierung ausgerechnet zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem Europa durch die gemeinsame Politik des neuen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und des EU-Parlamentspräsident Martin Schulz seine bisherige Politik ändert und endlich auch auf mehr Investitionen setzt.
Selbstverständlich müssen alle jederzeit zu neuen Gesprächen und Verhandlungen bereit sein. Aber auch neue Verhandlungen setzen voraus, dass die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit in der Eurozone eingehalten werden. Deshalb hoffe ich auf die noch kommenden griechischen Vorschläge nach dem Grundsatz "Hilfe gegen Reformen". Diese Reformen müssen endlich glaubwürdig die Kernproblematik des griechischen Staates in Angriff nehmen. Und: Im Lichte der augenblicklichen Entwicklung müssen wir dabei die griechische Bevölkerung in den Fokus der Hilfen nehmen. Sie darf nicht die Leidtragende des Kurses der griechischen Regierung werden. Mittel- oder langfristig wünsche ich mir, dass Griechenland wieder alle Pflichten und Rechte eines Mitglieds unserer Werte-, Wirtschafts- und Rechtsordnung einnehmen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Carsten Träger