Frage an Carolina Trautner von Guido L. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrte Frau Staatsministerin Trautner,
die Frage, die Ihnen Herr André Puschner zu einem drohenden Mietwohnungsverlust gestellt hatte und die Sie am 08.04.20 beantwortet haben ( https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/carolina-trautner/fragen-antworten/508302 ), hat mich sehr bewegt. Neben der momentan leider auch in Bayern grassierenden Coronavirus-Pandemie dürfte der akute Mangel an bezahlbaren(!) Mietwohnungen in bayerischen Großstädten eines der größten Probleme sein. Dies veranlasst mich, Ihnen hierzu ein paar Fragen zu stellen.
Unstrittig dürfte sein, dass die Politik die Rahmenbedingungen dafür schaffen muss, dass sich jeder in Bayern lebende Mensch eine bezahlbare Mietwohnung (auf das Thema Eigentumswohnung will ich nicht eingehen) leisten kann. Eine dieser lenkenden Maßnahmen ist sicherlich die Ende 2019 eingeführte Mietpreisbremse ( https://www.bayern.de/neue-mieterschutzverordnung-mietpreisbremse-gilt-ab-7-august-2019-in-162-bayerischen-staedten-und-gemeinden-justizminister-eisenreich-wichtiger-schritt-zur-begrenzung-des-mietpreisanstiegs-in/ ).
Bekannt ist, dass vom ehemaligen bayerischen Finanzminister und jetzigen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder (MdL, CSU) ein Großteil der ehemals im Besitz der Bayern LB befindlichen Gemeinnützigen Bayerischen Wohnungsgesellschaft (GBW) mit ihren ca. 33.000 Mietwohnungen in bayerischen Großstädten an den Meistbietenden, die Patrizia Immobilien AG, für ca. 2,45 Mrd. € verkauft wurde. Nach dem Eigentümerwechsel wurden die Mieten dieser ca. 33.000 Mietwohnungen größtenteils drastisch erhöht (https://www.sueddeutsche.de/muenchen/gbw-schwabing-wohnen-muenchen-miete-1.4279481 , https://www.donaukurier.de/lokales/ingolstadt/Wohnungsnot-Pfaffenhofen-DKmobil-Wohnungsnot-Ingolstadt-wochennl282018-Existenzgefaehrdende-Mieterhoehungen;art599,3842839 und https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/investor-patrizia-ag-erhoeht-mieten-und-verkauft-ex-bayernlb-wohnungen-a-930775.html (exemplarisch)).
Bekanntlich war der Verkauf der GBW-Anteile notwendig, weil die BayernLB de facto Pleite war und Dr. Söder in seiner Eigenschaft als bayer. Fianzminister Rettungsgelder bei der EU beantragte. Dieser Rettungsschirm war seitens der EU nur möglich, indem sich die BayernLB und der Freistaat von ihrem "Tafelsilber" trennten. Umstritten ist nach wie vor, ob es nicht einen anderen Ausweg als den Verkauf der GBW-Wohnungen in einem offenen Bieterverfahren gab ( https://www.bayern.landtag.de/aktuelles/aus-dem-plenum/schlussdebatte-zum-4-untersuchungsausschuss/ , https://www.merkur.de/politik/hat-soeder-gelogen-verkauf-von-gbw-wohnungen-hat-fuer-ministerpraesidenten-ein-nachspiel-9795881.html , https://www.gruene-fraktion-bayern.de/index.php?id=14492 , https://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.abschlussbericht-der-untersuchungsausschuss-gbw-verkauf-spd-untermauert-ihre-vorwuerfe.04568ca7-0be3-491b-9609-4bd8383911d4.html ).
Die de facto-Pleite der BayernLB ist -hoffentlich unstrittig- hauptsächlich darin begründet, weil sie sich auf hochriskante und -spekulative internationale Bankgeschäfte einließ. So erfolgte z.B. der Kauf der (hochdefizitären) Hypo Group Alpe Adria auf ausdrücklichen Wunsch des ehemaligen bayer. Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber (CSU): https://www.nachdenkseiten.de/?p=4466 , https://www.sueddeutsche.de/bayern/skandalbank-hypo-alpe-adria-stoiber-unter-druck-1.63716 , https://www.sueddeutsche.de/bayern/stoiber-und-die-bayernlb-der-mann-der-sich-nicht-erinnern-kann-1.937452 und https://www.stern.de/politik/deutschland/edmund-stoiber-und-der-hgaa-skandal-ein-bayer-kaempft-um-sein-politisches-erbe-3528180.html (exemplarisch).
Von Edmund Stoiber kam bisher (leider) keinerlei Einsicht, dass er die de facto-Pleite der BayernLB mitzuverantworten hat (neben Michael Kemmer, Georg Fahrenschon, Georg Schmid, Prof.(em.) Kurt Faltlhauser und Erwin Huber (um nur Einige zu nennen) : https://www.tz.de/bayern/stoiber-weist-verantwortung-hgaa-debakel-zurueck-tz-959132.html ).
Meine Fragen:
- Was sagen Sie zu der von mir skizzierten kausalen Kette, warum auch (z.T. ehemalige) CSU-Spitzenpolitik eine Mitverantwortung an der akuten Wohnungsnot in Bayern haben (zur Erinnerung: Als die ca. 33.000 Wohnungen noch der GBW gehörten, waren die Mieten (verständlicherweise) deutlich niedriger als nach dem Verkauf an die Patrizia Immobilien AG)?
- Was sagen Sie zu der Tatsache, dass Markus Söder seinen Amtsvorgänger Edmund Stoiber immer noch hofiert ( das hat er unmittelbar nach seinem Amtsantritt als neuer bayer. MP getan: https://www.youtube.com/watch?v=j2xXu-mq6OE )? (Ich würde Jemanden, der mir eine Vorladung zu einem (unangenehmen) Untersuchungsausschuss eingebrockt hat, "zum Teufel jagen".)
- Teilen Sie meine Auffassung, dass es ein Armutszeugnis für die CSU-Landtagsfraktion ist, dass sie sich nicht auf einen gemeinsamen Abschlussbericht zum BayernLB-Untersuchungsausschuss einigen konnte ( https://www.bayern.landtag.de/fileadmin/Internet_Dokumente/16_0007500.pdf und https://www.br.de/nachricht/bayernlb-hgaa-untersuchungsausschuss100.html ; Die Beweislast war m.E. erdrückend.)?
Ich fest davon überzeugt, dass Sie eine absolut ehrliche und zu Empathie gegenüber Mitmenschen fähige Ministerin sind (Ihre Empathie-Fähigkeit haben Sie noch am 13.03.20 bewiesen: https://www.youtube.com/watch?v=5g-KKk2KBZk&t=475s (ab Minute 20:08. Ihnen konnte man bei der PK in der Staatskanzlei ansehen, dass Sie mitleiden.)). Deshalb würde ich mich sehr darüber freuen, wenn Sie mir meine Fragen zeitnah und umfassend beantworten.
Hierfür bedanke ich mich im Voraus ganz herzlich und verbleibe
mit freundlichen Grüßen aus Eching (Lkr. Freising)
G. L.
PS: Bleiben Sie gesund!
Sehr geehrter Herr Langenstück,
besten Dank für Ihre Anfrage vom 10. April 2020, die Bezug nimmt auf meine Antwort vom 8. April zur Frage von Herrn Puschner.
Die Themen bezahlbares Wohnen, Wohnungsbaupolitik allgemein und der Verkauf der GBW-Wohnungen sind wichtige und zumeist mit Emotionen verbunden.
Wie Sie wissen, war der Verkauf der GBW-Anteile an einen privaten Bieter unausweichlich, nachdem die EU-Kommission einen exklusiven Verkauf an ein kommunales Konsortium nicht akzeptiert hatte. Unstrittig dürfte auch sein, dass das Verfahren und die damalige Entscheidung nach Recht und Gesetz erfolgten. Ich habe es stets als Erfolg angesehen, dass in komplizierten Verhandlungen erreicht werden konnte, dass dem Verkauf eine Sozialcharta mit Schutzklauseln zugrunde gelegt werden konnte. Geförderte Wohnungen sind übrigens nicht weggefallen und nach meinen Informationen orientieren sich geförderte Wohnungen auch stets an den Förderbestimmungen und nicht an den Eigentümern.
Seinerzeit war die BayernLB auch nicht die einzige Institution, die vor großen Herausforderungen stand. Eine Abwicklung hätte erheblichen Schaden für den Steuerzahler zur Folge gehabt.
Dass man sich nicht auf einen gemeinsamen Abschlussbericht im Untersuchungsausschuss einigen konnte, halte ich angesichts des Verlaufs der Sitzungen für nicht verwunderlich. Während der Ausschussvorsitzende das Fazit zog, die Vorwürfe der Opposition haben sich als haltlos erwiesen, sah diese das naturgemäß anders. Zeugenaussagen wurden wohl unterschiedlich bewertet. Ein Armutszeugnis für die CSU-Landtagsfraktion kann ich hier beim besten Willen nicht erkennen, vielmehr sah sich die CSU in ihren Positionen bestätigt.
Ministerpräsident a.D. Edmund Stoiber hat viele Verdienste um den Freistaat, die ich sehr zu schätzen weiß. Ihre Einschätzung hierzu kann ich daher leider nicht nachvollziehen.
Für mich ist aber die Thematik bezahlbares Wohnen wichtig und nach wie vor sehr aktuell. Daher begrüße ich die Novelle der Bayerischen Bauordnung und begrüße es, dass der Freistaat, etwa über BayernHeim, selbst bezahlbaren Wohnraum schafft. Hier haben wir uns ambitionierte Ziele gesetzt, die ich aber für richtig halte.
Daneben möchte ich auf das kommunale Wohnraumförderprogramm, das Bayerische Baukindergeld Plus und die Bayerische Eigenheimzulage hinweisen.
Ganz aktuell lässt sich noch nicht abschließend bewerten, wie und in welchem Maß die Corona-Krise sich auf die Immobiliensituation in allen Landesteilen auswirken wird. Ich kann Ihnen aber versichern, dass mir das Thema bezahlbares Wohnen sehr wichtig ist und dies nicht an Bedeutung verlieren darf.
Auch wenn wir in der Bewertung des GBW-Verkaufs sicher auch weiterhin unterschiedliche Auffassungen vertreten, hoffe ich dennoch, Ihnen meine Sicht der Dinge erläutert zu haben!
Ihnen ganz persönlich wünsche ich, dass Sie gesund bleiben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Carolina Trautner