Was möchten Sie für Erwachsene mit Lese- und Schreibschwierigkeiten tun, um ihren Alltag zu erleichtern und attraktive Weiterbildungsangebote zu schaffen?
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Viele Menschen leiden auch als Erwachsene noch an einer Lese- und Rechtschreibschwäche, weil sie als Kinder und Jugendliche keine gute Förderung bekommen haben, oder auch weil sie erst später zugezogen sind und in ihren Herkunftsländern gar keine Alphabetisierung bekommen haben. Die Leo-Studie der Universität Hamburg hat deutlich gemacht, dass zwölf Prozent der erwachsenen Menschen in Deutschland nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben können. Dies sind viel mehr als in älteren Studien angenommen. Bei weiteren 20,5 Prozent der Erwachsenen tritt fehlerhaftes Schreiben selbst bei gebräuchlichen Wörtern auf.
Als häufige Ursachen werden Diskriminierung, häusliche Gewalt, frühe Elternschaft und dauerhaft fehlendes Geld erkannt. Es gibt also eine große Überschneidung zwischen Problemlagen sozialer Ungerechtigkeit und Lese- und Rechtschreibschwäche. Wir verstehen es als unseren wesentlichen Auftrag, Diskriminierung, Gewalt und soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Dafür haben wir in unserem Programm zahlreiche soziale Fördermaßnahmen aufgeführt und auch Wege dargestellt, diese zu finanzieren.
Die reine Ursachenbekämpfung reicht aber nicht, es muss auch dringend die Förderung für Maßnahmen zur Abhilfe bei Lese- und Rechtschreibschwäche im Erwachsenenalter ausgebaut werden, etwa in Lernwerkstätten, Alphabetisierungskursen und Online-Angeboten. Das positive Ergebnis der Leo-Studie ist, dass ältere Bevölkerungsschichten stärker von Lese- und Rechtschreibschwäche betroffen sind als jüngere. Wenn wir realistischerweise davon ausgehen, dass sich die Förderung über die Jahrzehnte verbessert hat, bedeutet dies: Förderung wirkt! Wichtig ist uns, dass die Teilnahme an Förderangeboten nicht am Geld und anderen Zugangshürden scheitert. Was den Zugang zu Angeboten angeht, stellt die unentdeckte Lese- und Rechtschreibschwäche eine besondere Herausforderung dar. Hier braucht es zielgruppenspezifische Aufklärungsangebote in Leichter Sprache, um den Zugang zu Fördermaßnahmen überhaupt erst möglich zu machen.
Schließlich ist die Teilhabe von Menschen mit Lese- und Rechtschreibschwäche unabhängig von Förderangeboten notwendig. Es braucht daher einen Ausbau der Angebote in einfacher Sprache und Leichter Sprache. Alle städtischen Angebote sollte es zumindest auch in einfacher Sprache geben – gegenwärtig gibt es auf Hamburg.de nur ausgewählte Angebote in einfacher Sprache. Dies gilt auch für andere Medienangebote, um Menschen Zugang zu ermöglichen. Es ist zum Beispiel zu wenig, dass die Tagesschau nur einmal pro Woche in Einfacher Sprache ausgestrahlt wird.