Frage an Carl-Ludwig Thiele von Heinrich V. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Thiele,
gestern gaben Sie einem Herrn Berger und einem Herrn Ittermann Antworten zu deren Fragen zum Kammerzwang.
Dazu möchte ich Ihnen hiermit gerne mal 6 Nachfragen stellen.
Sind Sie eigentlich wirklich selber davon überzeugt, was Sie Herrn Berger und Herrn Ittermann gestern zur Antwort gaben ?
Wird Ihnen nicht selber langsam klar, daß man Wähler nicht weiterhin mit altbekannt-abgeschriebenen Zeugs abspeisen sollte ?
Wird Ihnen nicht selber langsam klar, daß jegliches Gerede unserer deutschen Politiker von dringend nötigem Bürokratie-Abbau nur hohles Geschwätz sein kann, solange nicht einmal mit der Abschaffung der längst überflüssigen Zwangsmitgliedschaft zur IHK begonnen wird ?
Ist Ihnen nicht bekannt, daß es in fast keinem Land der Welt (auch in fast keinem Land der EU) eine Zwangsmitgliedschaft zu einer Handelskammer gibt ?
Ist Ihnen nicht bekannt, daß es dort bestens auch ohne solch einen vollkommen undemokratischen Kammerzwang läuft ?
Haben Sie sich eigentlich schon einmal durch den Kopf gehen lassen, daß deutsche Unternehmer echte Wettbewerbsnachteile durch den hiesigen Kammerzwang haben ?
Mit besten Grüßen zu Ihnen nach Osnabrück und in den Bundestag
Heinrich Vetter / Meerbusch
Sehr geehrter Herr Vetter,
ich kann hinsichtlich Ihrer grundsätzlichen Fragen zur IHK-Pflichtmitgliedschaft in Deutschland nur auf meine bereits hier wiedergegebenen Antworten verweisen.
Ihre Aussage über Pflichtmitgliedschaften in anderen Ländern ist nicht korrekt. In den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nutzen u.a. Frankreich, Italien, die Niederlanden, Österreich, Spanien, Griechenland und Luxemburg die auf Pflichtmitgliedschaft basierte Selbstverwaltung der Wirtschaft. Die konkrete Ausgestaltung von Aufgaben, Befugnisse, Finanzierung und Kammerorganisation unterscheidet sich im Einzelfall. Gleichwohl ist der wesentliche ordnungspolitische Rahmen mit der deutschen Regelung vergleichbar.
Die gegenwärtig in der EU bestehenden Regelungen zum Kompetenzumfang des jeweiligen Kammerwesens und der damit etwaig einhergehenden Pflichtmitgliedschaft haben sich individuell als tragfähig erwiesen. Bislang steht jedoch ein wissenschaftlich abgesicherter, gesamtwirtschaftlicher Vergleich der einzelnen Systeme aus. Nach Ansicht einschlägiger Experten zur Best-practice schneidet das deutsche System der Selbstverwaltung gut ab. In einigen mittel- und osteuropäischen Ländern sei danach ein Kammersystem nach deutschem Vorbild eingeführt worden oder werde diskutiert. Als Ergebnis der langwierigen und intensiven Auseinandersetzung mit der Pflichtmitgliedschaft auf Bundes- als auch auf Landesebene hat die FDP auf dem 57. Bundesparteitag im Mai 2006 einen Reformbedarf des deutschen Kammerwesens identifiziert. Exemplarisch seien an dieser Stelle die Stärkung von kammerinterner Demokratie, Transparenz und Effizienz, als auch die Fokussierung der Geschäftstätigkeit der IHK’n auf Kernaufgaben bei gleichzeitiger Steigerung der Transparenz durch Messung und Kommunikation unternehmerischer Leistungskennzahlen genannt. Der Beschluss ist auf der Internetpräsenz der FDP kostenlos beziehbar.
Die FDP sieht in der bestehenden auf dem Grundsatz der Pflichtmitgliedschaft begründeten Organisation der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern in Form von Körperschaften öffentlichen Rechts eine geeignete Form der Selbstverwaltung der Wirtschaft und der Interessenvertretung der Unternehmen. Eine alternative staatliche Bereitstellung der durch die Kammern erbrachten Leistungen entfaltet aus gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten keine wettbewerbsfördernden Impulse. Vermutlich würden die damit verbundenen Kosten insgesamt steigen, welche letztlich durch höhere Abgaben und Steuern auch seitens der heutigen Mitgliedsunternehmen der Kammern zu tragen wären.
Mit freundlichen Grüßen
Carl-Ludwig Thiele